Freitag, 26. April 2013

AKTUELL - NO SMOKERS!!!!!




Von David Hesse, Washington.
Unternehmen in den USA stellen vermehrt nur noch Nichtraucher ein. Nun diskutieren Wissenschaftler, ob dies legal, ethisch vertretbar und medizinisch sinnvoll ist.

Raucher brauchen sich gar nicht erst zu bewerben. Die Spitäler und Forschungszentren der University of Pennsylvania haben beschlossen, ab Juli nur noch Nichtraucher einzustellen. Diese «NonNicotine Hiring Policy» soll laut einer Mitteilung der Unternehmensleitung die «Gesamtgesundheit» der rund 16 000 Beschäftigten verbessern sowie die Krankenversicherungskosten im Betrieb senken. Bereits angestellte Raucherinnen und Raucher werden nicht entlassen, müssen allerdings mit höheren Versicherungsprämien rechnen, wenn sie keine Entwöhnungstherapie in Anspruch nehmen.

Es sind harte Zeiten für Tabakfreunde in den USA. Nachdem das Rauchen an praktisch allen Arbeitsplätzen verboten worden ist, beginnen immer mehr Firmen, ihren Angestellten die Zigarette und die Pfeife auch im Freien und daheim zu verbieten. Vor allem Spitäler und Gesundheitsdienstleister, aber auch Betriebe wie die Alaska Airlines oder der Pflanzenschutzmittel-Hersteller Scotts Miracle-Gro verlangen von ihren Belegschaften den totalen Rauchverzicht. Offene Stellen schreiben sie explizit mit dem Vermerk «Nur Nichtraucher» aus. Zur Durchsetzung des Verbots führen manche Firmen regelmässige Urintests durch, andere verlassen sich auf das Ehrenwort der Angestellten.

Gerechtigkeit als Argument
Begründet wird der Raucherausschluss vor allem wirtschaftlich: Laut einer 2009 im «Journal of Tobacco Policy & Research» erschienenen Studie fehlen Raucher öfter krankheitshalber am Arbeitsplatz als ihre nicht rauchenden Kollegen. Und selbst relativ gesunde Tabakkonsumenten verursachen in einem Zeitraum von drei Jahren gemäss Studie höhere Gesundheitskosten als Nichtraucher. Die US-Regierung geht davon aus, dass jeder rauchende Arbeitnehmer betriebliche Mehrkosten von 4000 Dollar pro Jahr verursacht. Wer also eine Belegschaft von Nichtrauchern beschäftigt, müsste unter dem Strich produktiver und kostengünstiger sein. Langzeitstudien gibt es hierzu allerdings noch nicht. Nichtraucherbetriebe sind ein junges Phänomen.
Nicht wenige Arbeitgeber argumentieren überdies mit der Gerechtigkeit: «Wir fanden es unfair, dass jene Angestellten, die einen gesunden Lebenswandel pflegen, ihre ungesunden Kollegen subventionieren mussten», äusserte sich etwa Steven Bjelich, der Chef des seit kurzem raucherfreien St. Francis Medical Center in Cape Girardeau, Missouri. Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern müssen in den USA risikogepoolte Krankenversicherungen haben. Wer also keine Raucher einstellt, muss für deren Erkrankungen keine Nichtraucher mehr bezahlen lassen.

Blick in die Zukunft
Spätestens hier aber stellt sich die Frage, weshalb von allen ungesund lebenden Arbeitnehmern nur die Raucherinnen und Raucher ins Visier genommen werden. Schliesslich belasten auch andere ihre Kollegen mit willentlicher Selbstschädigung. Müssten nicht auch Alkoholkonsum, Fettleibigkeit und der Hang zu Risikosport bestraft werden?
John Mackey, der Gründer der teuren Bio-Supermarktkette Whole Foods, lässt erahnen, wie die Zukunft aussehen könnte. Er gewährt seinen Angestellten unterschiedlich hohe Rabatte auf Selbsteinkäufe im Supermarkt – je nach deren Blutdruckwerten, Body-Mass-Index und Rauchgewohnheiten. Wo immer es rechtlich möglich ist, stellt auch Whole Foods keine Raucher mehr ein.
Vorgehen ist in Ordnung
Grundsätzlich ist das Nichteinstellen von Tabakkonsumenten legal. Die US-Verfassung schützt die Raucher nicht als Minderheit, also können Raucher auch nicht diskriminiert werden. Anders als Übergewichtige, die aufgrund der Gesetze zum Schutz der Behinderten nicht aufgrund ihrer Leibesfülle gegängelt oder entlassen werden dürfen, können Raucher nach Belieben geschasst oder eben nicht engagiert werden. «Wir sprechen keinem Raucher das Recht auf Tabak ab. Aber wir nehmen uns die Freiheit, diese Leute nicht einzustellen», erklärte eine Sprecherin der Spitalkette Geisinger Health System in Danville, Pennsylvania.
Das geht allerdings nicht mehr überall: die Tabaklobby und die für Bürgerrechte eintretende American Union of Civil Liberties haben dafür gesorgt, dass in immerhin 29 der 50 US-Bundesstaaten sowie in der Hauptstadt Washington nun auch Raucher am Arbeitsplatz einen gewissen Schutz vor Diskriminierung geniessen. Die Universität Pennsylvania etwa muss bei ihrem anstehenden Raucherstopp deshalb alle Mitarbeiter in den Dépendancen von New Jersey ausnehmen.
«Paradoxes» Raucherverbot
Neben juristischen wirft die Ausgrenzung der Raucher aber auch ethische Fragen auf. In der Fachzeitschrift «New England Journal of Medicine» schreiben drei Gesundheitswissenschaftler der Universität McGill in Montreal sowie der eben raucherfrei werdenden Universität Pennsylvania, es sei gerade für Gesundheitsbetriebe «paradox», Rauchern die Anstellung zu verweigern. Schliesslich seien Spitäler dazu da, alle Kranken zu pflegen, auch jene, die ihr Leiden mit eigenem Verhalten befördert hätten. Es sei «gefühllos und widersprüchlich», Patienten mit «chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen, Herzproblemen, Diabetes oder durch ungeschützten Sex übertragenen Infektionen» zu behandeln, jedoch keine Raucher mehr zu beschäftigen.
Zudem sei es sozialpolitisch falsch, ausgerechnet Rauchern den Broterwerb zu erschweren. Denn die Bevölkerungsgruppe der Tabakkonsumenten ist in den USA – wie in den meisten westlichen Ländern – laut der Statistik sowieso bereits benachteiligt. Mehr als 36 Prozent der Amerikaner, die unterhalb der Armutsgrenze leben, sind auch Raucher. Von den Arbeitslosen rauchen sogar 48 Prozent.
4000 Dollar pro Raucher
Oberhalb der Armutsgrenze hingegen rauchen nur 22,5 Prozent. Die nikotinfreie Personalpolitik treffe deshalb, so die Wissenschaftler, in disproportionaler Weise jene, die am dringendsten einen Job benötigten. In raucherfreien Spitälern seien denn auch vor allem Reinigungspersonal und Hausdienst betroffen. Die Autoren empfehlen den US-Arbeitgebern, ihren Angestellten statt mit Sanktionen besser mit finanziellen Anreizen zu begegnen.
Ein Experiment in der Belegschaft von General Electric zeigte, dass eine Belohnung von 750 Dollar dreimal mehr Menschen zum Rauchstopp bewog als jede Informationskampagne. Doch die Sache hatte einen Haken. Als General Electric das Anreizsystem implementieren wollte, protestierten die Nichtraucher. Da sie nie geraucht hätten, sei die Prämie für sie unerreichbar. Das Unternehmen sah das ein und schwenkte zurück auf Sanktionen. Raucher müssen bei General Electric höhere Versicherungsprämien bezahlen. «Jeder rauchende Arbeitnehmer kostet den Betrieb laut US-Regierung zusätzlich 4000 Dollar pro Jahr.»

Montag, 8. April 2013

LEBEN - ONLINE-PARTNERBÖRSEN




Online-Partnerbörsen: Psychologen halten Dating-Seiten für untauglich
Von Holger Dambeck



Die Suche nach dem Traumpartner im Internet ist ein Millionengeschäft. US-Psychologen haben Dating-Seiten jetzt wissenschaftlich untersucht und kommen zu einem vernichtenden Urteil: Die Versprechen der Anbieter sind kaum haltbar.

Wenn es um Liebe geht, glauben viele Menschen an göttliche Fügung. Der Mann oder die Frau fürs Leben wird einem schon irgendwann über den Weg laufen - und wenn das passiert, dann wird man das gewiss merken. Doch nicht immer taucht der Traumpartner einfach so aus dem Nichts auf - Online-Partnerbörsen versprechen da Abhilfe. Sie betreiben die Suche nach dem Märchenprinzen ganz ähnlich wie ein Immobilienmakler die Fahndung nach der Traumwohnung. Man benötigt nur genügend Eckdaten (Interessen, Vorlieben, Wünsche an den potentiellen Partner) - und bringt die Suchenden dann per Matching-Algorithmus zusammen.
Anbieter wie Parship.de oder Match.com berufen sich dabei ausdrücklich auf wissenschaftlich fundierte Partnervorschläge. "Als Paarforscher wissen wir, wie glückliche Partnerschaften entstehen", schreibt beispielsweise Parship auf seiner Web-Seite und verspricht eine Partnerschaft, die auch längerfristig "inspirierend und lebendig bleibt".
Doch nun stellen zwei amerikanische Psychologen die Matching-Algorithmen der Dating-Seiten in Frage. Diese könnten kaum den Erfolg eine Beziehung vorhersagen, schreiben Eli Finkel von der Northwestern University und seine Kollegen in einer vorab veröffentlichten Studie im Fachblatt "Psychological Science in the Public Interest".

Es gibt Dutzende Dating-Seiten in Deutschland. Viele große Web-Seiten, auch SPIEGEL ONLINE, haben eine oder mehrere Börsen als Partner. Bei praktisch allen Anbietern müssen Singles zunächst einen umfangreichen Fragenkatalog abarbeiten. Aus den Antworten ermitteln die Betreiber dann ein Persönlichkeitsprofil, das Basis der Vermittlung ist. Der Anbieter eDarling.de nutzt dabei Big Five, ein aus fünf Komponenten bestehendes Persönlichkeitsmodell. Die meisten Dating-Seiten bringen bei vielen dieser Kriterien und Unterkriterien nur Personen zusammen, die einander ähneln. Bei einzelnen Merkmalen gilt jedoch auch "Gegensätze ziehen sich an" - hier sollen Unterschiede für eine Beziehung förderlich sein.

Durchsuchen von Profilen wenig hilfreich
Nach Meinung von Wissenschaftler Finkel kann eine mathematische Formel jedoch kaum zwei Singles zu einer langfristigen Liebesbeziehung zusammenbringen. Der Psychologe bestreitet nicht, dass es Methoden gibt, den dauerhaften Erfolg von Beziehungen vorherzusagen. Das Hauptproblem der Anbieter sei jedoch, dass sie nicht über die dafür nötigen Informationen verfügten. Beispielsweise hätten Studien gezeigt, dass in erster Linie die Art, wie zwei Menschen miteinander diskutieren und Meinungsverschiedenheiten lösen, entscheidend sei, wenn man die Zufriedenheit einer Beziehung prognostizieren will.
Die Forscher halten vor allem das Durchsuchen von Datensätzen am Computer für untauglich, um den passenden Partner zu finden. Die meisten Dating-Seiten würden Singles mit einer großen Anzahl von passenden Profilen regelrecht überschütten, schreiben sie in ihrer Arbeit. "Es ist schwer, aus den Profilen viel über die potentiellen Partner zu erfahren." Die Datensätze erlaubten kaum Rückschlüsse darauf, welche Partner tatsächlich vielversprechend seien. Beim Durchblättern der Profile würden Interessenten oft Merkmale überbewerten, die für den Erfolg einer Partnerschaft jedoch irrelevant seien.
Wenn es um Liebe geht, glauben viele Menschen an göttliche Fügung. Der Mann oder die Frau fürs Leben wird einem schon irgendwann über den Weg laufen - und wenn das passiert, dann wird man das gewiss merken. Doch nicht immer taucht der Traumpartner einfach so aus dem Nichts auf - Online-Partnerbörsen versprechen da Abhilfe. Sie betreiben die Suche nach dem Märchenprinzen ganz ähnlich wie ein Immobilienmakler die Fahndung nach der Traumwohnung. Man benötigt nur genügend Eckdaten (Interessen, Vorlieben, Wünsche an den potentiellen Partner) - und bringt die Suchenden dann per Matching-Algorithmus zusammen.
Anbieter wie Parship.de oder Match.com berufen sich dabei ausdrücklich auf wissenschaftlich fundierte Partnervorschläge. "Als Paarforscher wissen wir, wie glückliche Partnerschaften entstehen", schreibt beispielsweise Parship auf seiner Web-Seite und verspricht eine Partnerschaft, die auch längerfristig "inspirierend und lebendig bleibt".
Doch nun stellen zwei amerikanische Psychologen die Matching-Algorithmen der Dating-Seiten in Frage. Diese könnten kaum den Erfolg eine Beziehung vorhersagen, schreiben Eli Finkel von der Northwestern University und seine Kollegen in einer vorab veröffentlichten Studie im Fachblatt "Psychological Science in the Public Interest".
Es gibt Dutzende Dating-Seiten in Deutschland. Viele große Web-Seiten, auch SPIEGEL ONLINE, haben eine oder mehrere Börsen als Partner. Bei praktisch allen Anbietern müssen Singles zunächst einen umfangreichen Fragenkatalog abarbeiten. Aus den Antworten ermitteln die Betreiber dann ein Persönlichkeitsprofil, das Basis der Vermittlung ist. Der Anbieter eDarling.de nutzt dabei Big Five, ein aus fünf Komponenten bestehendes Persönlichkeitsmodell. Die meisten Dating-Seiten bringen bei vielen dieser Kriterien und Unterkriterien nur Personen zusammen, die einander ähneln. Bei einzelnen Merkmalen gilt jedoch auch "Gegensätze ziehen sich an" - hier sollen Unterschiede für eine Beziehung förderlich sein.
Durchsuchen von Profilen wenig hilfreich

Nach Meinung von Wissenschaftler Finkel kann eine mathematische Formel jedoch kaum zwei Singles zu einer langfristigen Liebesbeziehung zusammenbringen. Der Psychologe bestreitet nicht, dass es Methoden gibt, den dauerhaften Erfolg von Beziehungen vorherzusagen. Das Hauptproblem der Anbieter sei jedoch, dass sie nicht über die dafür nötigen Informationen verfügten. Beispielsweise hätten Studien gezeigt, dass in erster Linie die Art, wie zwei Menschen miteinander diskutieren und Meinungsverschiedenheiten lösen, entscheidend sei, wenn man die Zufriedenheit einer Beziehung prognostizieren will.
Die Forscher halten vor allem das Durchsuchen von Datensätzen am Computer für untauglich, um den passenden Partner zu finden. Die meisten Dating-Seiten würden Singles mit einer großen Anzahl von passenden Profilen regelrecht überschütten, schreiben sie in ihrer Arbeit. "Es ist schwer, aus den Profilen viel über die potentiellen Partner zu erfahren." Die Datensätze erlaubten kaum Rückschlüsse darauf, welche Partner tatsächlich vielversprechend seien. Beim Durchblättern der Profile würden Interessenten oft Merkmale überbewerten, die für den Erfolg einer Partnerschaft jedoch irrelevant seien.
Einer der Hauptkritikpunkte von Finkel und seinen Kollegen ist der fehlende Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Beim Ausfüllen von Fragebögen oder in E-Mails werde zu oft beschönigt oder geschummelt - beim direkten Kontakt zweier Menschen und selbst bei Telefonaten geschehe dies seltener.
Algorithmus-basierte Dating-Seiten könnten erfolgreicher sein, wenn sie sich die Erkenntnisse der Beziehungsforschung zu eigen machen", erklärte Finkel in einer E-Mail an SPIEGEL ONLINE. Der Psychologe von der Northwestern University in Evanston schlägt beispielsweise Speed-Dating via Webcam vor. Das Feedback der Teilnehmer müsste dann in die Matching-Vorschläge einfließen. "Das würde ganz sicher die Fähigkeit der Algorithmen verbessern, jene Paare zu finden, die am besten zusammenpassen."
Wenn es um Liebe geht, glauben viele Menschen an göttliche Fügung. Der Mann oder die Frau fürs Leben wird einem schon irgendwann über den Weg laufen - und wenn das passiert, dann wird man das gewiss merken. Doch nicht immer taucht der Traumpartner einfach so aus dem Nichts auf - Online-Partnerbörsen versprechen da Abhilfe. Sie betreiben die Suche nach dem Märchenprinzen ganz ähnlich wie ein Immobilienmakler die Fahndung nach der Traumwohnung. Man benötigt nur genügend Eckdaten (Interessen, Vorlieben, Wünsche an den potentiellen Partner) - und bringt die Suchenden dann per Matching-Algorithmus zusammen.

Anbieter wie Parship.de oder Match.com berufen sich dabei ausdrücklich auf wissenschaftlich fundierte Partnervorschläge. "Als Paarforscher wissen wir, wie glückliche Partnerschaften entstehen", schreibt beispielsweise Parship auf seiner Web-Seite und verspricht eine Partnerschaft, die auch längerfristig "inspirierend und lebendig bleibt".
Doch nun stellen zwei amerikanische Psychologen die Matching-Algorithmen der Dating-Seiten in Frage. Diese könnten kaum den Erfolg eine Beziehung vorhersagen, schreiben Eli Finkel von der Northwestern University und seine Kollegen in einer vorab veröffentlichten Studie im Fachblatt "Psychological Science in the Public Interest".
Es gibt Dutzende Dating-Seiten in Deutschland. Viele große Web-Seiten, auch SPIEGEL ONLINE, haben eine oder mehrere Börsen als Partner. Bei praktisch allen Anbietern müssen Singles zunächst einen umfangreichen Fragenkatalog abarbeiten. Aus den Antworten ermitteln die Betreiber dann ein Persönlichkeitsprofil, das Basis der Vermittlung ist. Der Anbieter eDarling.de nutzt dabei Big Five, ein aus fünf Komponenten bestehendes Persönlichkeitsmodell. Die meisten Dating-Seiten bringen bei vielen dieser Kriterien und Unterkriterien nur Personen zusammen, die einander ähneln. Bei einzelnen Merkmalen gilt jedoch auch "Gegensätze ziehen sich an" - hier sollen Unterschiede für eine Beziehung förderlich sein.

Durchsuchen von Profilen wenig hilfreich
Nach Meinung von Wissenschaftler Finkel kann eine mathematische Formel jedoch kaum zwei Singles zu einer langfristigen Liebesbeziehung zusammenbringen. Der Psychologe bestreitet nicht, dass es Methoden gibt, den dauerhaften Erfolg von Beziehungen vorherzusagen. Das Hauptproblem der Anbieter sei jedoch, dass sie nicht über die dafür nötigen Informationen verfügten. Beispielsweise hätten Studien gezeigt, dass in erster Linie die Art, wie zwei Menschen miteinander diskutieren und Meinungsverschiedenheiten lösen, entscheidend sei, wenn man die Zufriedenheit einer Beziehung prognostizieren will.
Die Forscher halten vor allem das Durchsuchen von Datensätzen am Computer für untauglich, um den passenden Partner zu finden. Die meisten Dating-Seiten würden Singles mit einer großen Anzahl von passenden Profilen regelrecht überschütten, schreiben sie in ihrer Arbeit. "Es ist schwer, aus den Profilen viel über die potentiellen Partner zu erfahren." Die Datensätze erlaubten kaum Rückschlüsse darauf, welche Partner tatsächlich vielversprechend seien. Beim Durchblättern der Profile würden Interessenten oft Merkmale überbewerten, die für den Erfolg einer Partnerschaft jedoch irrelevant seien.
Einer der Hauptkritikpunkte von Finkel und seinen Kollegen ist der fehlende Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Beim Ausfüllen von Fragebögen oder in E-Mails werde zu oft beschönigt oder geschummelt - beim direkten Kontakt zweier Menschen und selbst bei Telefonaten geschehe dies seltener.
"Algorithmus-basierte Dating-Seiten könnten erfolgreicher sein, wenn sie sich die Erkenntnisse der Beziehungsforschung zu eigen machen", erklärte Finkel in einer E-Mail an SPIEGEL ONLINE. Der Psychologe von der Northwestern University in Evanston schlägt beispielsweise Speed-Dating via Webcam vor. Das Feedback der Teilnehmer müsste dann in die Matching-Vorschläge einfließen. "Das würde ganz sicher die Fähigkeit der Algorithmen verbessern, jene Paare zu finden, die am besten zusammenpassen."

Erfolg des Matchings unklar
Von den verwendeten Matching-Algorithmen halten die Forscher wenig. Zum einen würden diese von den Anbietern als Geschäftsgeheimnis betrachtet und nicht publik gemacht. Die freilich trotzdem bekannten allgemeinen Prinzipien dahinter seien nicht geeignet, um die Dauerhaftigkeit einer Beziehung vorherzusagen. Die dazu publizierten Forschungsergebnisse seien widersprüchlich. "Es bleibt unklar, ob der Grad der Ähnlichkeit bei einem Paar etwas damit zu tun hat, wie erfolgreich eine Beziehung im Laufe der Zeit ist", sagt Finkel.
Der deutsche Anbieter Parship räumt ein, dass der Erfolg einer Beziehung im starken Maße auch von verschiedenen äußeren Einflüssen wie Jobverlust abhängig und damit schwer vorhersagbar ist. "Generell ist Partnerschaftserfolg schwierig zu messen", sagte Sprecherin Doreen Schlicht SPIEGEL ONLINE. "Hier besteht Forschungsbedarf."
Den Vorwurf, unwissenschaftlich zu arbeiten, weist die Parship-Sprecherin jedoch zurück: Das Unternehmen nutze verhaltenstheoretisch orientierte Ansätze, aber auch gestalttheoretische und psychoanalytische Theorien über Persönlichkeitseigenschaften. Parship habe im letzten Jahr erstmalig Paare befragt und die Ergebnisse dieser Befragung auf Tagungen vorgestellt, sagte Schlicht. "Da wir keine universitäre Einrichtung sind, sind für uns wissenschaftliche Publikationen in Fachzeitschriften nicht verpflichtend."








Donnerstag, 4. April 2013

LEBEN - BEZIEHUNGEN SIND WIE EIN HÜHNERSTALL




Interview: Jonas Schocher. Aktualisiert am 29.07.2010
Paartherapeut Klaus Heer erklärt im Interview, wie Schweizer im Zeitalter des Internets lieben, warum sie nie mit ihrer Beziehung zufrieden sind. Und ob wir tatsächlich wieder konservativer werden.

Welchen Einfluss hat das Internet auf unser Beziehungsleben?
Das Internet hat vor allem neue Methoden geschaffen, wie man sich kennen lernen kann. Dabei ist der grosse Vorteil, dass das Aussehen nicht mehr das einzige Auswahlkriterium darstellt. Das kann viel angenehmer und fruchtbarer sein, als in eine Bar zu hocken und sich anzustarren. Wer sich gut ausdrücken kann und offen ist – auch in Herzensdingen – hat viel mehr Chancen. Das ist spielerisch und kreativ.

Wo liegen die Gefahren?
Richtig gefährlich wirds eigentlich erst, wenn man ein Paar ist. Die neuen Medien, vor allem die sozialen Netzwerke und die gigantische Flut von Internet-Pornografie, setzen uns einer Unzahl von Versuchungen aus. Neue Kontakte aller Art locken allenthalben. In den Chatrooms sind die Übergänge zwischen banalem Gespräch und heissem Flirt fliessend. Fast unbemerkt kann sich ein Austausch erotisch und sexuell färben, und es wird schnell unklar, ob das jetzt nicht bereits Fremdgehen ist.

Sind heutige Paare eher aufgeschlossen oder konservativ?
In den heutigen Beziehungsmodellen sind Treue und Ehrlichkeit nach wie vor erstrangige Bestandteile. Man möchte sich in der Beziehung daheim und geborgen fühlen wie in einem Kokon. Doch sobald man länger in dem Kokon drin ist, ist man bald einmal überfordert und hat Sehnsucht nach etwas anderem. Beziehungen sind wie ein Hühnerstall. Wer draussen ist, will rein, und wer drin ist, will raus. Der Mensch ist eben ein Sehnsuchtswesen.

Wie geht das denn, sich in den eigenen Partner neu verlieben?
Kein Mensch kann Gefühle, die weg sind, erfolgreich zurückwünschen. Es macht ja auch wenig Sinn, im Hochsommer dem zurückliegenden wunderbaren Frühling nachzutrauern. Weil man nämlich damit die pralle Fülle des Sommers verpasst. Wenn nun die intensive Zeit des Liebesfestes zu Ende geht, entsteht eine ganz neue Intensität: der Kater, die Ausnüchterung. Die Enttäuschung über den anderen, über die Beziehung, über sich selbst. Diese Enttäuschung unerschrocken anzuschauen, kann ein aufregendes Erlebnis sein: Sie macht deutlich, wo meine Täuschung war. Und das kann ein neues, fruchtbares und schmerzliches Thema zwischen den beiden Liebenden werden.

Was ist denn die Standardlösung?
Die einfachere Methode ist die Personalrotation. Man kann sich sagen, alle zwei Jahre lege ich mir eine neue Beziehung zu. Doch das geht nicht endlos. Jeder merkt mit der Zeit, dass sich das Ganze ständig wiederholt. Es kann sich hohl und traurig anfühlen. Es ist ja auch kein besonders erhebender Anblick, wenn man eine Spur von Verflossenen hinter sich herzieht. Mit der Zeit beginnt man an sich selber zu zweifeln, nicht nur am anderen Geschlecht. Man fängt an, sich die richtigen Fragen zu stellen: Bin ich der richtige Partner für jemanden? Anstatt: Wer ist der richtige Partner für mich?
Sie haben geschrieben, dass die Rolle der Frau in der Partnerschaft eine neue ist. Inwiefern?
Die Frau lässt heute nicht mehr alles mit sich machen, was sie während Tausenden von Jahren mit sich machen liess. Die Männer können nicht einfach daran vorbeischauen. In der Enge des eigenen Heims werden sie unausweichlich damit konfrontiert. Viele von ihnen sind ratlos. Wie lebt man mit einer Frau, die man liebt, auf gleicher Augenhöhe? Das ist in allen Bereichen schwer. Am anspruchsvollsten ist es wohl in der Sexualität. Dort sind die Differenzen zwischen zwei Menschen viel grösser, als wir es in unseren Sehnsüchten wahrhaben wollen. Wir sind uns viel fremder, als uns lieb ist.
Manche Stimmen fordern darum eine Rückkehr zu konservativen Rollenmustern. Gibt es diesen Backlash in der Realität?
Ich bekomme das nicht wirklich mit. Ich habe es zum Beispiel mit vielen Patchwork-Familien zu tun. Das ist doch nicht konservativ. Das sind neue Wege und neue Ideen, mit denen ich konfrontiert werde: Leute, die etwas ausprobieren und merken: Es ist anspruchsvoll! Gerade wenn Kinder beteiligt sind. Kinder, die mit den neuen Partnern nicht auskommen, neue Partner, die mit den Kindern Mühe haben. Das sind grosse Herausforderungen.
Ist das Paar- und Familienleben allgemein anspruchsvoller geworden?
Ja, auch das berufliche Leben meiner Klienten. Das ist enorm. Die Leute haben einfach keine Zeit füreinander


Samstag, 30. März 2013

PHILOSOPHIE - FLEISCHKONSUM




Grosse Fragen: Tiere essen
Ist der Konsum von Fleisch ethisch zu rechtfertigen? Nur in sehr engen Grenzen, wie Ethiker Jean-Claude Wolf kurz und knapp erklärt.

Grosse Fragen: Tiere essen
Ist der Konsum von Fleisch ethisch zu rechtfertigen? Nur in sehr engen Grenzen, wie Ethiker Jean-Claude Wolf kurz und knapp erklärt.

Der Fleischkonsum ist moralisch problematisch, weil wir leider meistens nicht hinreichend kontrollieren können, wie Tiere gehalten und getötet wurden. Darüber hinaus ist der Fleischkonsum eine Vergeudung von Ressourcen, die wir – anstatt sie an Tiere zu verfüttern – selber essen könnten. Es ist demnach ein moralisches Gebot, den Fleischkonsum zu reduzieren.
Der australische Philosoph Peter Singer hat bereits in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts einige der wichtigsten Argumente für einen konditionalen Vegetarismus zusammengetragen, das heisst für einen Vegetarismus unter den Bedingungen der modernen industriellen Fleischproduktion, unter den Bedingungen ausreichender Nahrungsalternativen – wir sind nicht auf den Verzehr von (viel) Fleisch angewiesen – und unter den Bedingungen, dass wir die Haltung einzelner Tiere nicht selber kontrollieren können. Ich glaube, dass damit im Wesentlichen alles gesagt ist.



POLITIK -WIR HABEN EINE KRISE DER VERNUNFT







Frank Schirrmacher gehört zu den wichtigsten deutschen Vordenkern. Er sagt, die Wirtschaftskrise habe zu einem Zustand der Dauerbedrohung geführt. Trotzdem hat er Hoffnung.

Herr Schirrmacher, Sie schreiben, die Eurokrise sei nicht ein vorübergehendes Problem. Es gehe um mehr. Um was geht es?
Die Krise ist Ausdruck von etwas sehr Grundsätzlichem. In der Zeit davor wurde die Wirtschaftswissenschaft als positive Wissenschaft verkauft, als rationales System. Dann kam die Krise, und es wurde immer deutlicher: Diese ist längst nicht mehr nur eine Krise der Wirtschaft, sondern eine Krise der Rationalität. Wir haben eine Krise der Vernunft. Es ist so, als merkten wir plötzlich, dass das System der Physik nicht mehr funktioniert. Dass uns die Antwort auf die Frage schwerfällt, was moralisch ist und was nicht – das ist nicht unser grösstes Problem. Gravierender ist, dass wir nicht mehr wissen, was vernünftig ist und was nicht. Es war nicht irgendein Feuilletonist, der vor dem amerikanischen Kongress gesagt hat: «Das gesamte Denkgebäude ist zusammengebrochen.» Das war immerhin Alan Greenspan.

Wir leben in der Epoche des grossen Zusammenbruchs?
Wir leben heute ständig in einer Situation der absoluten Drohung: Es droht das Ende des Euro; es droht der Kollaps des Finanzsektors. Das hat es – wenn man an die 80er- oder 90er-Jahre denkt – in dieser Frequenz nie gegeben.
Mit welchen Folgen?
Dieses Denken produziert einen Satz, den wir alle kennen: «Es gibt keine Alternative.» Das bedeutet eine weitere Radikalisierung. Es ist kein Zufall, dass wir seit Ausbruch der Krise eine Inflation von Nuklearmetaphern haben, von der «finanziellen Kernschmelze» bis zu den «Massenvernichtungswaffen der Börsen». Da kommen wir schnell zum Modell des Kalten Krieges.
Wir leben in einer Neuauflage des Kalten Krieges?
Im Kalten Krieg gab es erstmals in der Weltgeschichte eine absolute Bedrohung. Mit dieser Bedrohung war das Wissen verbunden: Zwar können wir den Gegner vernichten, doch er hat immer noch die Möglichkeit, uns auch zu vernichten. Sieht man sich nun die internen E-Mails der Investmentbank Lehman an, so erinnern diese stark an die Denkbilder des Kalten Krieges. Die Banker dachten: «Uns kann gar nichts passieren, weil, wenn uns was passiert, werden die anderen ja auch vernichtet.» Auch bei der Griechenland- und Zypernrettung stand die absolute Drohung im Raum. Da kommt dann die Botschaft aus Brüssel: «Wenn Ihr nicht kooperiert, gehen wir alle unter.» Solche Konstellationen sind auch deshalb problematisch, weil sie die Demokratie schwächen.

Warum?
Die Eurokrise ist mit einer massiven Entdemokratisierung und einem erheblichen Souveränitätsverlust verbunden. Bei uns in Deutschland musste mehrmals das Bundesverfassungsgericht einschreiten und dafür sorgen, dass das Parlament nicht übergangen wird. Oder denken Sie an die negativen Reaktionen auf den Vorschlag des früheren griechischen Ministerpräsidenten, der sein Volk über das Eurorettungspaket abstimmen lassen wollte.
Die Schweizer haben allerdings vor kurzem per Volksabstimmung Massnahmen gegen die Abzockerei beschlossen.
Das widerspricht meinen Ausführungen nicht.
Ein demokratischer, rationaler Aufstand gegen die Wirtschaftselite ist doch exakt die Antithese zu dem, was Sie sagen. Sie sprechen von einer Gesellschaft, die erstens in einer tiefen Krise der Rationalität steckt und die zweitens aus einem Heer von Egoisten besteht.
Ich sehe keinen Widerspruch. Es wäre ja schlimm, wenn das, was ich beschreibe, der Endpunkt wäre. Eine Gesellschaft funktioniert dialektisch, sie lernt dazu. Und reagiert folglich allergisch, wenn die Managergehälter ins Absurde steigen. Ich begrüsse die Debatte in der Schweiz sehr, weil sie wegführt von der rein moralischen Diskussion, mit der wir jetzt viele Jahre vergeudet haben.
Das müssen Sie uns erklären.
Es ist immer cool zu sagen: «Die verdienen zu viel, guckt euch diese Schweine an.» Aber gebracht hat diese emotionale Stigmatisierung überhaupt nichts. Die Reaktion in der Schweiz ist anders, nämlich ganz rational. Und sie steht nicht im Widerspruch zu meiner These, sondern zeigt den nächsten Schritt. Wir erleben überall, dass durch die Krise der Rationalität Überzeugungen, die bisher galten, infrage gestellt werden – und neue Überzeugungen an Kraft gewinnen.
Für Sie ist die Abstimmung in der Schweiz ein Hoffnungsschimmer – ein Indiz, dass die Krise der Vernunft überwindbar sein könnte?
Ja, man muss aber berücksichtigen: In der Schweiz haben Plebiszite Tradition, bei uns in Deutschland nicht. Und sie wären hier ein riskanter Weg. Man weiss nicht, was herauskäme, wenn wir über den Euro abstimmen würden. Mir würde es schon reichen, wenn das Parlament stärker mitreden könnte. Aber ich will noch etwas zum Recht sagen.
Bitte.
Im Neoliberalismus interessiert vor allem eines: die Präferenz des Menschen: Will er heute ein Eis? Und was will er morgen? Das Ziel ist, Präferenzen zu schaffen, Präferenzen vorauszuahnen und Präferenzen zu befriedigen. Wenn man aber sagt: Alles, was zählt, ist die Präferenz – dann wird es gefährlich. Dann droht, dass man das Recht relativiert, wenn es nicht zu den Präferenzen gehört. Dabei ist ganz wichtig, dass bestimmte Rechtsgüter – Gleichberechtigung, Selbstbestimmung ... – unangefochten gelten, selbst wenn sie niemand will. Die Eurokrise hat uns da auf einen heiklen Weg geführt. Da mache ich auch der Bundesregierung Vorwürfe. Diese merkwürdige, überschüssige Reaktion auf die Schweiz, zeigt doch auch: Wenn Sie selber den moralischen Boden verloren haben, müssen Sie jemand anders noch amoralischer machen.
Sie haben Frau Merkel als oberste Spieltheoretikerin des Landes bezeichnet. Wie meinen Sie das?
Die Physikerin hat ein paar spieltheoretische Prinzipien verinnerlicht. Erstens: Denke vom anderen immer, dass er dich über den Tisch ziehen will. Zweitens: Rede nicht, lege dich nicht fest. Und drittens: Das ganze Spiel kannst du nur mit Bluffs spielen.
Immerhin hat sie Deutschland bisher einigermassen unbeschadet durch die Eurokrise gesteuert. Wenn Sie auf den Chip in der Mitte des Pokertisches schauen, sieht es für Merkel nicht schlecht aus. Das System ist stabil, wir Deutschen haben zwar viel Geld aufgeworfen, sind dafür aber nicht pleitegegangen. Aus einer anderen Perspektive betrachtet, sieht man allerdings: Der Preis für Merkels Strategie ist riesig. Deutschland zahlt und zahlt und zahlt – und wird gehasst. Wir werden wieder als Nazis beschimpft.

Wie kommt das?
Diese Paradoxie ist nur dadurch zu erklären, dass man nicht die Wahrheit sagt. Aus Rücksicht auf ihre eigenen Wähler versäumt es Merkel zu sagen, was das Ganze für einen Zweck hat. Richtig wäre aus meiner Sicht: ehrlich sein und eine Utopie entwickeln. Die Kanzlerin könnte sagen: «Das Geld ist zwar weg, aber dafür bekommen wir etwas: ein starkes Europa.»
Sie sehen die Welt im Zeitalter des Ökonomismus, wo das Ego-Interesse über allem anderen steht. Das heisst, die Menschen heute sind schlechter, als sie früher waren?
Nein, das sind sie nicht. Nach wie vor besitzen die Menschen Intuition – diese sagt ihnen, was gut ist und was nicht. Ich würde nie behaupten, in der heutigen Gesellschaft gebe es mehr Egoismus. Aber wir haben eine Gesellschaft mit einem neuen Imperativ. Und der heisst: Es ist vernünftig, egoistisch zu sein. Es ist etwas völlig anderes, ob Sie sagen: Wir sind Egoisten. Oder ob sie als Maxime ausgeben: Es ist rational, egoistisch zu sein. Eine solche Maxime ist philosophiegeschichtlich eine Zäsur, weil wir in Europa doch stark von Immanuel Kant und seinem Satz geprägt sind: «Handle stets so, dass dein Handeln zur Gesetzgebung für alle werden könnte.»
Der neue Leitsatz stammt von Thomas Hobbes ...
... ja: «Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.» Aus Studien wissen wir: Wenn in einer Gesellschaft egoistisches Verhalten als vernünftig erklärt wird, wird es beim Menschen geradezu erweckt. Das Modell des «homo oeconomicus» produziert Soziopathen. Es wird heute von den Menschen ein Verhalten verlangt, das sie selber nicht gut finden.
Dann sind die Menschen also doch schlechter geworden.
Nein, solange sie merken, was vor sich geht, werden sie nicht schlechter. Das Schweizer Plebiszit gegen zu hohe Managerlöhne belegt dies: Die Leute haben realisiert, dass es so nicht weitergehen kann – und haben gehandelt. Der Mensch ist vielschichtiger, als das Modell sagt. Das Problem ist, dass wir immer stärker Systemen ausgesetzt sind, die den Menschen auf einen Automaten reduzieren – auf seine Präferenzen.
Was schlagen Sie vor?
Man muss den Menschen vermitteln, dass sie ihre Intuition ernst nehmen. Das Problem ist ja nicht, dass wir zu grosse Risiken eingehen. Das Problem ist, dass wir alles risikolos machen wollen. Darum sind wir ja so versessen auf die angeblich superpräzisen Modelle der Statistiker. Zur Finanzkrise ist es nicht gekommen, weil Vorkehrungen zur Risikoabwehr gefehlt hätten. Im Gegenteil, solche gab es in Fülle. Der Fehler war, dass man ihnen blind vertraut und nicht auf die Intuition gehört hat.
Wir müssen lernen, bewusst Risiken einzugehen und zu tragen?
Ja, und dazu gehören Transparenz, Ehrlichkeit und Selbstvertrauen. Unsere Aufgabe ist, unsere Prägung zu verlernen. Nichts gegen den Konsum, den Markt oder das Internet – solange wir davon nicht gesteuert werden.



Sonntag, 10. März 2013

WISSEN - DIE 12 REGELN EINER GLÜCKLICHEN BEZIEHUNG




Kann man voraussagen, ob die Liebe dem Alltag standhält? Nicht unbedingt. Aber es gibt laut Studien Eigenschaften, die Langzeitpaare teilen. Testen Sie Ihr Liebesverfallsdatum.
Die Liebe – sie ist vielleicht das am meisten studierte und am wenigsten verstandene Objekt der psychologischen Forschung. Gerade weil sie sich dem Labor und der Statistik komplett entzieht. Nun hat Daniel O'Leary mit seinem Team versucht, die Liebe unter Liebenden zu studieren. Genauer gesagt: Er hat Paare, die seit über zehn Jahren verheiratet oder zusammen sind und sich als glücklich bezeichnen, auf Herz und Nieren überprüft. Und siehe da: Langzeitehen können alles andere als kühl und leidenschaftslos sein. Immerhin gaben 40 Prozent der Befragten an, dass sie noch immer in ihre Partner verliebt seien und sich das auch im Bett recht häufig zeigten.
Daraufhin haben die Forscher versucht herauszufinden, was denn Paare gemeinsam haben, die bereits seit 30 Jahren zusammen sind und angaben, sehr glücklich zu sein. Wer nun erwartet, dass eine lange Liste kommt, die von Nähe, Kommunikation und Leidenschaft zeugt, hat nicht unrecht. Doch die Prise Pragmatismus ist nicht zu unterschätzen.
Testen Sie also ihre Beziehung:

1. Positiv über den Partner denken. Langzeitpaare streiten sich auch – aber sie zählen, fragt man sie, mehr positive als negative Eigenschaften über den Partner auf. Sie haben gelernt, ihren Partner zu ertragen, und das Gedächtnis darauf konditioniert, schlechte Erinnerungen zu verstecken, gute hingegen jederzeit abrufbar zu speichern.
2. In der Ferne die Nähe suchen. Nach 30 Jahren Ehe will man nicht mehr dauernd aufeinander hocken. Doch offenbar denken Langzeitpaare regelmässig an den Partner, wenn sie von ihm getrennt sind. (Lesen Sie auch: «Lust auf Distanz»)
3. Kein Multitasking beim Paarprobleme wälzen. Wer einen Streit mit dem Partner einfach schnell wegstecken und zur Tagesordnung übergehen kann, zeigt nicht das Verhalten, das Langzeitpaare zu Protokoll gegeben haben. Multitasking hört bei ihnen spätestens dann auf, wenn sie intensiv an den Geliebten denken.
4. Gemeinsame und neue Hobbys. Klar doch, Paare, die sich mögen, verbringen viel Zeit miteinander. Doch offenbar profitiert die Langzeitliebe vorab, wenn ein Paar gemeinsam eine neue Leidenschaft entdeckt. Vorzugsweise eine, die komplizierter ist als Kaffeerahmdeckeli sammeln.
5. Zeit gemeinsam verbringen. Zeit lässt die Liebe wachsen. Zumindest dann, wenn sie oft gemeinsam verbracht wird. Und dabei zählt nicht nur die Freizeit, sondern auch die Pflicht. Langzeitpaare verbringen nachweisbar mehr Zeit beim gemeinsamen Haushalten, Kochen, Putzen, Gärtnern als Lebensabschnittspaare.
6. Die Liebe benennen. Fühlen ist gut und recht. Kommunizieren ist besser. Typische Ausdauerliebende sagen sich regelmässig, dass sie sich lieben. Mit Worten und mit Gesten. Das muss nicht immer der elaborierte Liebesbrief oder ein Kamasutra-Ausdauertraining sein. Ein Kuss, eine kleine Notiz auf dem Tisch genügen. (Lesen Sie auch: «Was Frauen an Männern lieben»)
7. Begehren zeigen und leben. Ja – ohne wirds schwierig. Zumindest wer Jahrzehnte aushalten will, sollte seinen Partner begehren, sich von ihm körperlich angezogen fühlen und das auch zeigen. Wer beim Küssen ans Abendessenkochen denkt, sollte mal in sich gehen.
8. Sex haben, regelmässig. Die Anziehung ist nicht immer gleich gross. Und selbst wer eben beim Küssen auch mal an den Brokkoli im Kühlschrank denkt, ist kein Single-Kandidat. Sex kann man auch mal haben, wenn die Lust gar nicht oder noch nicht da ist. Die O'Leary-Studie jedenfalls zeigt, dass Langzeitliebende öfter Sex haben und regelmässiger Sex haben als andere Pärchen. Erforscht ist übrigens auch, dass wer mehr Sex hat auch mehr Sex will. Für einmal ist das mit dem Huhn und dem Ei völlig egal.
9. Glücklich sein. Glückliche Menschen sind die besseren Liebhaber. Mehr gibts dazu nicht zu sagen.
10. Kontrolle: Ja, Sie haben richtig gelesen – wer wissen will, mit wem sich der Partner trifft, hat grössere Chancen, den Partner auch zu behalten. Liebende haben nun mal Ähnlichkeiten mit Stalkern. Vor allem wenn sie männlichen Geschlechts sind.
11. Obsession. Frauen hingegen, wenn sie in langen Beziehungen glücklich werden wollen, sollten sich ein kleines bisschen Obsessivität nicht verdenken. Offenbar sind erfolgreiche Langzeitliebhaberinnen in Gedanken nie weit von ihrem Partner entfernt. (Lesen Sie auch: «Das Buch, das Frauen fesselt»)
12. Leidenschaft. Nein – da ist nicht in erster Linie die horizontale Leidenschaft gemeint, sondern die alltägliche. Menschen, die ihre Emotionen nicht homöopathisch dosieren in ihrem Leben, geben die besseren Langzeitliebhaber ab. Wer sich also so richtig aufregen kann oder gerne lacht, wer sich reinknien will und wer immer ein bisschen auf der Suche nach dem nächsten Kick ist, hat gute Voraussetzungen mit seinem Partner alt zu werden.

Dienstag, 5. März 2013

PSYCHOLOGIE - DAS TAL DES LEBENS




Mit über 40 dämmert vielen: Es gibt nicht mehr unendlich viele Möglichkeiten, manch eine Chance ist verpasst, und irgendwann wird das Leben vorbei sein. Die Midlife-Crisis ist mehr als ein Mythos, wie Studien belegen. Zum Glück zeigen sie auch, was dagegen hilft.
Nach der Party zum 25. Geburtstag musste der Kumpel den Flur neu streichen, weil Fußabdrücke und Lippenstift an den Wänden zurückgeblieben waren. Die Feier zum 30. endete immerhin noch mit einer leichten Schlägerei. Und nun: 40. Der Freund feiert in kleiner Runde, es gibt guten Wein, Bohnensalat mit Minze und zum Dessert Birnensorbet.
Volker Marquardt hat sich und seine Bekannten beim Älterwerden beobachtet und das selbstironische und schwermütige Buch Halb so wild. Was mit 40 wirklich zählt geschrieben. Mit dem gediegenen Birnensorbet-Geburtstag fängt die Misere erst an. Alle sind auf einmal jünger – die Grundschullehrerin der Tochter, die Tagesschau-Sprecherin, der Bankberater. Das Kreuz zwickt, vor dem Joggen ist seit Kurzem Aufwärmen nötig. Und Sex? Wird überbewertet. Marquardts Bekannte grübeln: »Habe ich mir mein Leben so vorgestellt? Soll es das gewesen sein?«
Lange hielten Wissenschaftler die Midlife-Crisis für einen Mythos. Inzwischen aber belegen weltweite Studien: Das Lebensalter zwischen 40 und 55 ist eine Zeit des Wandels, in der viele anfällig sind für einen Zustand, der mit »Midlife-Crisis« gar nicht so schlecht beschrieben ist. Das Wohlbefinden bei Männern und Frauen sinkt bis Mitte 40 im Schnitt immer weiter ab und steigt erst danach wieder an.
In der Mitte des Lebens realisieren viele, dass sie in Bezug auf Familie und Beruf nicht mehr unendlich viele Möglichkeiten haben, dass ihr Körper älter wird – und älter aussieht – und dass das Leben irgendwann vorbei sein wird. Dabei könnte man es entspannt sehen: Viele haben die schwierigsten Karriereschritte geschafft, ihre Identität und Rolle gefunden, die finanziellen Verhältnisse sind meist stabil. Auch die kognitiven Fähigkeiten nehmen nicht so stark ab, wie viele vermuten. Die Gelassenheit wächst sogar, schließlich hat man schon einiges überstanden.
Ob die Lebensmitte zur Krise wird oder zum entspannten Verweilen auf einem Hochplateau, kann jeder selbst beeinflussen. Wie das geht, haben Psychologen zum Glück auch herausgefunden.
Natürlich sind Lebensläufe unterschiedlich: Die einen haben mit 30 schon Familie und Erfolg im Job, andere bekommen erst mit 40 Kinder oder starten mit 45 beruflich durch. Dennoch sind in der Mitte des Lebens viele unzufrieden. Das erkannten die Ökonomen David Blanchflower und Andrew Oswald, als sie Datensätze zur Lebenszufriedenheit von mehr als einer Million Personen aus über 70 Ländern untersuchten: Ab etwa Mitte 30 werden Menschen immer unzufriedener, mit Mitte 40 durchschreiten sie die Talsohle. Danach geht es ihnen zunehmend besser. Die U-Kurve des Glücks haben Forscher in vielen Kulturen gefunden. Einer der Datensätze mit Angaben zu 160.000 Menschen zeigte: In Europa liegt der Tiefpunkt bei 46, in Schwellenländern bei 43 Jahren.

Trotz unterschiedlicher Lebensläufe haben die Menschen in dieser Phase also etwas gemeinsam. Vieles, was Volker Marquardt an sich und seinen Bekannten beobachtet hat, lässt sich verallgemeinern. Ab 40 verändert sich der Körper nun einmal. Bei Männern sinkt der Testosteronspiegel, Frauen haben einen niedrigeren Spiegel an Östrogen und kommen in die Wechseljahre. Muskeln schwinden, dafür nehmen Fett, graue Haare und Falten zu, das ganze Programm. Plötzlich fallen einem Namen nicht mehr ein, und wo steht noch mal das Auto? Die Veränderungen belasten viele, »auch aufgrund der vorherrschenden jugendbezogenen Attraktivitäts- und Leistungsnormen«, sagt Pasqualina Perrig-Chiello, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Bern.

Montag, 11. Februar 2013

AKTUELL - JUNGE SCHWEIZERINNEN SIND PILLENMÜDE



Viele Frauen unter 25 haben keine Lust mehr, täglich Hormone einzunehmen, um eine Schwangerschaft zu verhüten. Grund ist nicht nur die erhöhte Thrombosegefahr.
Die Anzahl der verkauften Antibabypillen ist in der Schweiz seit 2009 um vier Prozent zurückgegangen, obwohl die Anzahl Frauen zwischen 15 und 45 Jahren zugenommen hat. Das schreibt die «NZZ am Sonntag» (Print, online nicht verfügbar) die sich auf den Apothekerverband PHARMASUISSE beruft.
Gynäkologen an den Universitätsspitälern von Zürich, Bern und Basel bestätigen in der «NZZ am Sonntag», dass seit einigen Jahren mehr junge Frauen zwischen 17 und 25 Jahren den Wunsch nach Verhütung ohne Hormone äussern.
Gegenbewegung zur Pillen-Euphorie
In den vergangenen Wochen sorgten zum wiederholten Mal Nebenwirkungen der Pille für Schlagzeilen. Mindestens vier Frauen sollen wegen dem Bayer-Produkt Diane 35 an Thrombosen gestorben sein, die französische Arzneimittelbehörde verbot Diane 35 deshalb. In der Schweiz sorgte das Verbot zwar für Verunsicherung, doch der Rückgang beim Pillenabsatz ist nicht allein darauf zurückzuführen. Junge Frauen verzichten auch auf die Pille, weil sie davon nach eigener Einschätzung müde, reizbar oder depressiv werden und zunehmen. Auch bestehen Ängste bezüglich Fruchtbarkeit und Brustkrebsrisiko.
Offensichtlich hat eine Gegenbewegung zur Pillen-Euphorie der späten 1960er Jahre eingesetzt. «Die Pille wird heute oft eher als Belastung denn als Befreiung wahrgenommen», sagt Johannes Bitzer, Chefarzt an der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel.

Donnerstag, 7. Februar 2013

DIE WELT IN BILDERN - IMPRESSIONEN VENEDIG


Die Schöne und das Biest: In der Lagunenstadt ist für alle Platz...oder auch nicht. Nur im Sommer hat es in Venedig noch mehr Touristen als während des Karnevals und so sind ...
Bild: Vincenzo Pinto


Kräftiges Rot: Das diesjährige Motto des Karnevals lautet «vivi i colori» – lebe die Farben. (3. Februar 2013)
Bild: Vincenzo Pinto/AFP

Mittwoch, 6. Februar 2013

WISSEN - TIEFRELIGIÖSE INDER, FLEXIBLE CHINESEN



China dagegen war auch vor Mao Zedong längst nicht so religiös, mit Ausnahme Tibets. Die Volksrepublik ist traditionell vom Buddhismus und Daoismus geprägt, auch die Zahl der Christen wächst stetig. Doch Buddhismus und Daoismus sind eher philosophischer Natur. Sie prägen den Alltag der Bürger wenig. Im alten China war das Volk vor allem dem Kaiser treu ergeben. Er bestimmte über Wohl und Weh, wurde ähnlich einem Gott verehrt. Das widerspricht weder dem Buddhismus noch dem Daoismus. Einen Ausschließlichkeitscharakter wie im Christentum gibt es nicht. Man kann Daoist sein und Buddhist. Bedingungsloser Gehorsam gegenüber dem einen, allmächtigen Schöpfer ist nicht Teil der Lehre.

Auch die Lehre des Konfuzius, bis heute relevant in China, passt in diesen Kontext. Konfuzius schließt die Existenz eines Gottes weder aus, noch macht er den Menschen vom Glauben an einen Gott abhängig. Auch darum ist vielen Chinesen unbegreiflich, warum es als Werteverlust verstanden wird, wenn ein Großteil der Chinesen sich als unreligiös betrachtet. Und doch ist die Sorge um den Werteverlust, um kulturelle Entwurzelung in China nicht unbegründet. Von einem "Sinnesvakuum" spricht gar Ashis Nandy, 75, Indiens großer Sozialwissenschaftler, wenn es um China geht.



Hindus glauben an viele Götter
Aber auch Indien läuft Gefahr, sich vom tieferen Sinn der eigenen Religionen zu entfernen, meint Vivek Kumar, Professor für Sozialwissenschaften in Delhi. Viele Inder neigen, so Kumar, zu abergläubischem Verhalten. Mancher lässt von einem Guru bestimmen, wie er sein Wohnzimmer einrichten soll. Dabei gibt es im Hinduismus keine Grundlagen für solcherlei Beratung. Selbsternannte Gurus und religiöse Führer gibt es unzählige, religiöse Radio- und TV-Sender haben Hochkonjunktur. Im Hinduismus, meint Kumar, werde wenig hinterfragt.
Die meisten Hindus glauben an viele Götter. Neue Götter zu akzeptieren, fällt ihnen leicht. Ein Bild von Jesus reiht sich neben Shiva und Ganesha ein. Viele Hindus konvertierten in der Vergangenheit zu anderen Religionen um Besserstellung zu erreichen – vor allem die unteren Kasten.

WISSEN - DALAI LAMA ÜBER OSHO




"Osho ist ein erleuchteter Meister, der mit allen Mitteln versucht, der heutigen Menschheit über eine schwierige Phase in der Bewusstseinsentwicklung hinwegzuhelfen."
Der Dalai Lama in Bodh Gaya, Indien

WISSEN - TOM ROBBINS ÜBER OSHO


Nie Geboren – nie Gestorben
Nur zu Besuch auf diesem Planeten
11. Dezember 1931 – 19. Januar 1990

Der Autor Tom Robbins beschreibt dies sehr eindrucksvoll: „Ich erkenne diese smaragdgrüne Brise, wenn sie an meine Fensterläden rüttelt. Osho ist wie ein harter, süßer Wind, der den Planeten umkreist und den Rabbis und Päpsten die Zipfelmützen herunterbläst, die Lügen auf den Schreibtischen der Bürokraten zerstreut, die Dummköpfe in den Ställen der Mächtigen in die Flucht schlägt, die Röcke der pathologisch Prüden hochhebt, und die spirituell Abgestorbenen wieder wach kitzelt.
Jesus hatte seine Parabeln, Buddha seine Sutras, Mohammed seine Phantasien der Arabischen Nacht – Osho hat etwas weitaus passenderes für eine durch Gier, Angst, Unwissenheit und Aberglauben verkrüppelte Gattung – er zeigt uns die kosmische Komödie. So, was Osho wohl vorhat – so scheint es mir – ist, unsere Masken zu durchdringen, unsere Illusionen aufzurütteln, unsere Abhängigkeiten zu kurieren, und uns unsere selbstbegrenzende und oft so tragische Torheit, uns selbst zu ernst zu nehmen, vor Augen zu führen.”

Was soll man über Osho sagen? – der ultimative Zerstörer, der Visionär, der die Vision verkörpert? Es ist sicherlich ein Vorschlag an die Existenz, dass es jedermanns Geburtsrecht ist, sich an der gleichen ozeanischen’ Erfahrung seiner wahren Individualität zu erfreuen.

Hierzu sagt Osho, „Es gibt nur einen Weg, der nach innen führt – wo man nicht einem einzigen Menschen begegnet, wo man nur Stille und Frieden findet." Eine Schlussfolgerung?

Es gibt keinen Abschlusspunkt in Oshos Vision, aber wohl eine helfende, hinweisende Hand uns selbst zu verstehen. „Ich möchte euch sagen: Wissenschaft ist das ultimative Werturteil. Und es gibt nur zwei Arten der Wissenschaft: Erstens, die objektive Wissenschaft, welche über die äußere Welt entscheidet, und zweitens, die subjektive Wissenschaft, die bis heute als Religion bezeichnet worden ist. Aber es ist besser, dies nicht Religion zu nennen. Es ist besser, dies als eine Wissenschaft des Inneren zu betrachten. Wissenschaft sollte in die Wissenschaft des Äußeren und die Wissenschaft des Inneren aufgeteilt werden – in objektive und subjektive Wissenschaft. Und dies in eine gesamte Einheit zu bringen, verleiht der Wissenschaft eine ultimative Wertschätzung – nichts kann höher gehen als dies."

Osho´s Meditationen können in vielen Zentren
auf der ganzen Welt erfahren werden.
Ca. 600 Bücher mit Aufzeichnungen von Osho`s Vorträgen
sind in vielen Sprachen erschienen.


Montag, 4. Februar 2013

WISSEN - WER IST OSHO


„Rajneesh“ Chandra Mohan Jain (* 11. Dezember 1931 in Kuchwada, Madhy Pradesh, Indien; † 19. Januar 1990 in Pune, Maharashtra, Indien) war ein indischer Philosophieprofessor und Begründer der Neo-Sannyas-Bewegung. Er nannte sich zuerst Acharya Rajneesh (Mitte der 1960er bis Anfang der 1970er Jahre), danach Bhagwan Shree Rajneesh (bis Ende 1988) und von 1989 bis zu seinem Tod Osho

OSHO - KINDHEIT UND JUGEND 1931-1950




Chandra Mohan Jain wurde in Kuchwada, einem kleinen Dorf in Madhya Pradesh (Indien), als ältestes von elf Kindern eines Tuchhändlers geboren und die ersten sieben Jahre von seinen Großeltern aufgezogen. Seine Familie, die ihn bei dem Spitznamen Rajneesh oder Raja („König“) rief, gehörte zur Religionsgemeinschaft der Jainas Rajneesh war ein aufgewecktes Kind, das gute Schulleistungen erbrachte, gleichzeitig aber auch viel Ärger mit seinen Lehrern hatte, weil er aufsässig war, oft die Schule schwänzte und seine Klassenkameraden zu allerlei Streichen anstiftete.
Rajneesh wurde früh mit dem Tod konfrontiert. Sein geliebter Großvater starb, als er sieben Jahre alt war. Als er fünfzehn Jahre alt war, starb seine Freundin (und Kusine) Shashi an Typus. Beide Verluste trafen ihn tief; seine späten Teenagerjahre waren von Melancholie, Depressionen und chronischen Kopfschmerzen geprägt. Er lief in dieser Zeit täglich 15 bis 25 km und meditierte oft bis zur völligen Erschöpfung.
Als Jugendlicher wurde Rajneesh Atheist; er interessierte sich für Hypnose und engagierte sich vorübergehend für Kommunismus, Sozialismus und zwei nationalistische Bewegungen, die für Indiens Unabhängigkeit kämpften: die Indian National Army und den Rashtriva Swayamsevak Sangh Er las viel und wurde ein hervorragender Debattierkünstler. Sein Ruf war der eines egoistischen, hochfahrenden, sogar aufrührerischen jungen Mannes.

OSHO - STUDIUM 1951-1960



Im Alter von neunzehn Jahren begann Rajneesh sein Studium der Philosophie am Hitkarini College in Jabalpur Wegen heftiger Streitereien mit einem Lehrer musste er das College verlassen und wechselte darauf zum D. N. Jain College, ebenfalls in Jabalpur. Noch während seines Studiums hatte er in Jabalpur am 21. März 1953 beim Meditieren im Bhanvartal-Park in einer Vollmondnacht eine außergewöhnliche Erfahrung, in der er sich von Glückseligkeit überwältigt fühlte – eine Erfahrung, die er später als seine spirituelle Erleuchtung beschrieb.
1955 schloss er sein Studium am D. N. Jain College mit dem Bachelor -Grad ab; 1957 wurde ihm von der University of Sagar der Master -Grad in Philosophie verliehen. Er erhielt sofort eine Anstellung am Raipur Sanskrit College, war aber auch dort schon bald so kontrovers, dass ihn der Rektor aufforderte, sich binnen eines Jahres eine andere Stelle zu suchen – er habe einen zersetzenden Einfluss auf die Moralität, den Charakter und die Religiosität seiner Studenten. 1958 wechselte Rajneesh deshalb zur Universität Jabalpur, wo er zunächst als Lecturer und ab 1960 als Professor lehrte.

OSHO - VORTRAGSREISEN 1961-1970


In den 1960er Jahren unternahm Rajneesh, wann immer es ihm seine Lehrtätigkeit erlaubte, ausgedehnte Vortragsreisen durch Indien in denen er Gandhi und den Sozialismus kritisierte. Sozialismus und Gandhi, so sagte er, verherrlichten beide die Armut, anstatt sie abzulehnen Indien brauche Kapitalismus, Wissenschaft, moderne Technologie und Geburtenkontrolle, um seiner Armut und Rückständigkeit entkommen zu können. Auch zum orthodoxen Hinduismus äußerte er sich kritisch: die brahminische Religion sei steril, alle politischen und religiösen Systeme seien falsch und heuchlerisch. Mit solchen Äußerungen machte er sich bei vielen unbeliebt, aber sie brachten ihm auch Aufmerksamkeit. Etwa um diese Zeit begann er, den Titel Acharya zu verwenden. 1966 gab er seine Lehrtätigkeit an der Universität auf und widmete sich von nun an ganz seiner Karriere als Redner und spiritueller Lehrer.
Acharya Rajneesh hielt seine frühen Vorträge auf Hindi; sie zogen deshalb kaum westliche Besucher an. Indische Kommentatoren bescheinigten ihm eine charismatische Ausstrahlung, die selbst auf Menschen, die seinen Ansichten ablehnend gegenüberstanden, eine Faszination ausübte. Seine Reden brachten ihm bald loyale Anhänger, darunter eine Reihe wohlhabender Geschäftsleute. Rajneesh erteilte individuelle Lebensberatung und erhielt dafür Spenden – eine übliche Vorgehensweise in Indien, wo Leute Rat von Gelehrten und Heiligen einholen, ähnlich wie Menschen im Westen Psychotherapeuten oder Lebensberater aufsuchen. Dem schnellen Wachstum seiner Praxis nach zu urteilen, scheint er ein ungewöhnlich begabter spiritueller Therapeut gewesen zu sein. Mehrmals im Jahr leitete er Meditations-Camps mit aktiven, kathartischen Elementen, und es wurden erste Meditationszentren (Jivan Jagruti Kendras, Lebenserweckungszentren) gebildet.
Seine „Lebenserweckungsbewegung“ (Jivan Jagruti Andolan) wurde in dieser Zeit hauptsächlich von Mitgliedern der Jaina-Religionsgemeinschaft in Bombay unterstützt. Einer von diesen war während des indischen Unabhängigkeitskampfes ein wichtiger Geldgeber für die Indian National Congress Party gewesen, mit engen Kontakten zu führenden Politikern wie Gandhi, Jawaharlal Nehru und Morarji Desai, und seine Tochter Laxmi wurde Rajneeshs Sekretärin und erste richtige Schülerin.[
Acharya Rajneesh behauptete, dass Menschen schockiert werden müssten, nur so könne man sie aufwecken. Schockiert zeigten sich in der Tat viele Inder von einer Vortragsreihe 1968, in der er die Einstellungen der indischen Gesellschaft gegenüber Liebe und Sex scharf kritisierte und für eine freizügigere Atmosphäre plädierte. Die Grundenergie der Sexualität sei göttlich, sagte er; sexuelle Gefühle sollten nicht unterdrückt, sondern dankbar akzeptiert werden. Nur durch Anerkennung seiner wahren Natur könne der Mensch frei werden. Von Religionen, die für einen Rückzug vom Leben eintraten, hielt er nichts; wahre Religion, so sagte er, sei eine Kunst, die lehre, wie man das Leben in vollen Zügen genießen könne. Diese Vortragsreihe wurde später als Buch unter dem Titel From Sex to Superconsciousness (Titel der deutschen Ausgabe: Vom Sex zum kosmischen Bewusstsein) veröffentlicht und brachte ihm in der indischen Presse den Titel „Sex-Guru“ ein. Gegen den Widerstand einiger hochrangiger Hindus wurde er im folgenden Jahr dennoch als Redner zur Second World Hindu Conference eingeladen. Dort verursachte er einen weiteren Eklat, indem er die Gelegenheit dazu benutzte, alle organisierten Religionen und ihre Priesterschaft zu kritisieren, und den obersten Priester des Hinduismus in Rage versetzte.

OSHO - BOMBAY 1970-1974


Bei einer öffentlichen Meditationsveranstaltung in Bombay (heute Mumbai) präsentierte Acharya Rajneesh im Frühling 1970 erstmals seine Dynamische Meditation. Im Juli 1970 nahm er sich eine Wohnung in Bombay, in der er Besucher empfangen und auch Vorträge im kleineren Kreis halten konnte. Obwohl er, seinen eigenen Lehren entsprechend, zuerst keine eigene Organisation begründen wollte, begann er am 28. September 1970, während eines Meditationscamps in Manali, seine ersten Schüler („Neo-Sannyasins“ oder heute meist einfach kurz „Sannyasins“) zu initiieren. Sannyasins erhielten von ihm einen neuen Namen – Frauen z. B. „Ma Dhyan Shama“, Männer z. B. „Swami Satyananda“ – und trugen bis 1987 orange oder rötliche Kleidung sowie eine Mala (Halskette) mit 108 Holzkugeln und seinem Bild. (Die Annahme eines Sanskrit-Rufnamens war freiwillig; wer seinen bürgerlichen Rufnamen behalten wollte, erhielt einen Namen wie „Ma Prem Gudrun“ oder „Swami Deva Peter”.)
Orangefarbene Kleidung und Mala sind Attribute traditioneller Sannyasins (als heilig betrachteter Asketen) in Indien. Die Art und Weise, wie die – bewusst provokative – Übernahme dieses Kleidungsstils zu Stande kam, hatte ein zufälliges Element: Laxmi war eines Tages, einer spontanen Idee folgend, in Orange bei ihm erschienen. Acharya Rajneesh gefiel anscheinend der Gedanke, seine Anhänger in einer Kleidung zu sehen, die, gemäß dem hinduistischen Konzept des „Sannyas“, eine Verpflichtung zur Entsagung und zur spirituellen Suche versinnbildlichte. Sein Sannyas sollte jedoch ein lebensbejahendes, feierndes Sannyas sein, in dessen Mittelpunkt „der Tod von all dem, was du gestern warst“ stehen würde. Aufgegeben werden sollte dabei nur das, was den Menschen daran hinderte, ganz im jetzigen Moment zu leben. „In Sannyas initiiert zu werden“, so schrieb eine Biografin, „bedeutet, dass du erkannt hast, dass du nur ein Same bist, eine Potenzialität. Es ist eine Entscheidung, zu wachsen, eine Entscheidung, dich von all deinen Sicherheiten zu trennen und in Unsicherheit zu leben. Du bist bereit, einen Sprung ins Unbekannte, Ungewisse, Geheimnisvolle zu tun.“ 1971 traten erste Schüler aus den westlichen Industrienationen der Bewegung bei. Darunter war eine junge Engländerin, die den Namen „Vivek“ von Acharya Rajneesh erhielt und in der Folge zu der Überzeugung kam, sie sei in ihrem vergangenen Leben seine Freundin Shashi gewesen. Shashi hatte ihm auf ihrem Sterbebett versprochen, dass sie zu ihm zurückkehren würde. Vivek wurde in den kommenden Jahren zu seiner ständigen Gefährtin.

OSHO - BHAGWAN


Im selben Jahr legte Rajneesh den Titel „Acharya“ ab und nahm stattdessen den religiösen Titel Bhagwan (wörtlich: Gesegneter) Shree Rajneesh an. Seine Aneignung dieses Titels wurde von vielen Indern kritisiert, aber Bhagwan schien die Kontroverse zu genießen. Später sagte er, dass der Namenswechsel die erfreuliche Wirkung gehabt hätte, all die zu vertreiben, die sich nicht wirklich auf ihn einlassen konnten. Gleichzeitig verlagerte sich damit auch der Schwerpunkt seiner Aktivitäten. Er war nun immer weniger daran interessiert, Vorträge für die allgemeine Öffentlichkeit zu halten; stattdessen, so sagte er, ginge es ihm nun vorrangig darum, Einzelpersonen zu transformieren, die eine innere Verbindung zu ihm hergestellt hätten. Da immer mehr Schüler aus dem Westen zu ihm stießen, gab Bhagwan nun auch englischsprachige Vorträge. Seine Gesundheit begann in Bombay jedoch zu leiden; sein Asthma verschlimmerte sich auf Grund der schlechten Luftqualität in Bombay zusehends, ebenso wie seine Zuckerkrankheit und seine Allergien. Außerdem war seine Wohnung nun viel zu klein, um die vielen Besucher aufnehmen zu können. Seine Sekretärin Laxmi machte sich auf die Suche nach einer passenderen Bleibe und fand diese in Poona (heute Pune). Das Geld für den Kauf der zwei benachbarten Villen und des dazugehörigen, etwa 2,5 ha großen Areals wurde von Gönnern und Schülern, insbesondere Catherine Venizelos (Ma Yoga Mukta), der Erbin eines griechischen Reedereivermögens, aufgebracht.

OSHO - VON BOMBAY NACH POONA


Bhagwan und seine Anhänger zogen im März 1974 von Bombay nach Poona um. Seine Gesundheit machte ihm noch einige Zeit zu schaffen, aber der Aufbau des Ashrams im Koregaon Park ging zügig vonstatten. Sannyasins arbeiteten im Ashram und erhielten dafür umsonst Kost und nach einiger Zeit oft auch Logis. Die nächsten Jahre waren geprägt von ständiger Expansion; die Anzahl der Besucher aus dem Westen wuchs immer mehr an. 1981 verfügte der Ashram u. a. über seine eigene Bäckerei, Käseherstellung, Kosmetikartikelfertigung, Kleiderproduktion, Töpferei, Theatergesellschaft und auch ein eigenes Gesundheitszentrum mit über neunzig Mitarbeitern, darunter 21 Ärzte. Der verstärkte Zulauf aus dem Westen war zum Teil auf die Mundpropaganda der aus Indien zurückkehrenden Schüler zurückzuführen, die in vielen Fällen Meditationszentren in ihren Heimatländern gründeten. Andere berichteten, dass sie nie mit Sannyasins in Kontakt getreten waren; sie hätten nur irgendwo ein Bild von Bhagwan gesehen, eine unerklärliche Verbindung zu ihm gespürt und dann gewusst, dass sie ihn aufsuchen müssten. Wieder andere lasen ein Buch von Bhagwan und fühlten sich auf diesem Wege zu ihm hingezogen. Bhagwan erhielt erheblichen Zulauf von Feministinnengruppen; die meisten Ashrambetriebe wurden von Frauen geleitet. Im deutschsprachigen Raum lösten vor allem die Berichterstattung der Illustrierten Stern und der Bestseller Ganz entspannt im Hier und Jetzt des ehemaligen Stern-Reporters Jörg Andrees Elten großes Interesse an Bhagwan aus.
Bhagwan, so heißt es in einer Beschreibung, „war körperlich ein attraktiver Mann, mit hypnotischen braunen Augen, einem wallenden Bart, feinen Gesichtsknochen und einem gewinnenden Lächeln; seine überaus kontroversen Verhaltensweisen und Äußerungen sowie sein idiosynkratisches, allem Anschein nach furchtloses und unbeschwertes Gebaren sahen viele desillusionierte Menschen aus dem Westen als Zeichen dafür an, dass hier jemand war, der echte Antworten gefunden hatte.“ Zudem war er nicht traditionsverhaftet, befürwortete moderne Technik und Kapitalismus, hatte nichts gegen Sex und war außerordentlich gut belesen – er zitierte Heidegger und Sartre, Gurdjieff und Sokrates, selbst Bob Hope, mit derselben Leichtigkeit, mit der er über Tantra, das Neue Testament, Zen oder Sufismus sprach.

OSHO - THERAPIEGRUPPEN ALS NEUE EINNAHMEQUELLE


Auch die synkretische Kombination von östlichen Meditations- und westlichen Therapietechniken spielte eine wesentliche Rolle. Europäische und amerikanische Therapeuten des Human Potential Movement reisten nach Poona und wurden Bhagwans Schüler. „Sie kamen zu ihm, um von ihm zu lernen, wie man meditativ lebt. Sie fanden in ihm den einzigen spirituellen Meister, der das Konzept der holistischen Psychologie vollkommen verstanden hatte, und den einzigen, der sie als Mittel dazu zu benutzen wusste, Menschen auf höhere Bewusstseinsebenen zu bringen“, schrieb ein Biograf. Therapiegruppen waren bald ein wesentlicher Bestandteil des Ashram-Angebots und auch eine seiner größten Einnahmequellen. 1976 umfasste das Angebot 10 Therapien, darunter Encounter, Primal und Enlightenment Intensive, eine Gruppe, in der die Teilnehmer z. B. drei Tage lang versuchen mussten, die Frage „Wer bin ich?“ zu beantworten. In den folgenden Jahren stieg die Anzahl der angebotenen Therapieformen auf etwa achtzig.
Besucher fragten entweder Bhagwan, an welchen Gruppen sie teilnehmen sollten, oder wählten Gruppen nach eigenem Gutdünken aus. In einigen Gruppen wie Encounter und Tantra wurde Sex mit wechselnden Partnern angeregt, entsprechend Bhagwans Lehre, dass sexuelle Blockaden erst aufgelöst werden müssten, ehe das authentische Wesen des Menschen sich entfalten könnte. In den Encounter-Gruppen wurden auch gewalttätige Konfrontationen zwischen den Teilnehmern zugelassen; laut Pressemeldungen kamen sogar mehrere Vergewaltigungen vor. Nachdem ein Teilnehmer einen Knochenbruch erlitt, wurden Tätlichkeiten in den Gruppen untersagt. Trotzdem hatten viele Sannyasins und Besucher die Empfindung, an etwas Aufregendem, Neuartigem teilzunehmen. In diesem Gefühl wurden sie auch von Bhagwan bestärkt: „Wir experimentieren hier mit allen Möglichkeiten, die das menschliche Bewusstsein heil machen und einen Menschen bereichern können“, sagte er.

OSHO - TAGESGESCHEHEN IM ASHRAM


Ein typischer Tag im Ashram begann um 6 Uhr mit der einstündigen Dynamischen Meditation. Um 8 Uhr hielt Bhagwan einen öffentlichen Vortrag in der so genannten „Buddha Hall“ (Buddhahalle). Bis 1981 wechselten sich hier Vortragsreihen auf Hindi und Englisch in monatlichem Rhythmus ab. Viele dieser spontan gehaltenen Vorträge waren Kommentare zu Texten aus verschiedenen spirituellen Traditionen; in anderen beantwortete er Fragen von Besuchern und Schülern Die Vorträge waren gespickt mit Witzen, Anekdoten und provokanten Bemerkungen, die regelmäßig Heiterkeitsausbrüche in seinem ergebenen Publikum auslösten. Tagsüber fanden diverse Meditationen und Therapien statt, deren Intensität der spirituellen Energie von Bhagwans „Buddhafeld“ zugeschrieben wurde Abends gab es Darshans, in denen Bhagwan persönliche Gespräche mit kleinen Zahlen individueller Anhänger und Besucher führte. Anlass für einen Darshan war in der Regel die Ankunft eines Schülers im Ashram bzw. seine bevorstehende Abreise, oder auch ein besonders gewichtiges Problem, das der Sannyasin mit Bhagwan persönlich besprechen wollte. Vier Tage im Jahr wurden besonders gefeiert: Bhagwans Erleuchtungstag (21. März) und sein Geburtstag (11. Dezember) sowie Guru Purnima, ein Vollmond, an dem Inder ihre spirituellen Meister verehren, und Mahaparinirvana, der Tag, an dem aller Erleuchteten gedacht wird.[ Für Besucher war der Aufenthalt in Poona generell eine intensive, karnevalartige Erfahrung, unabhängig davon, ob sie letztendlich „Sannyas nahmen“ oder nicht. Der Ashram, so die Beschreibung einer Schülerin, war „ein Vergnügungspark und ein Irrenhaus, ein Freudenhaus und ein Tempel.“[
Bhagwans Lehren betonten Spontaneität, aber der Ashram war keineswegs frei von Regeln. Wächter standen am Eingang, Rauchen und Drogen waren verboten, und bestimmte Teile des Geländes wie z. B. das Lao Tzu House, in dem Bhagwan seine Einzimmerwohnung hatte, waren nur privilegierten Schülern zugänglich. Wer zu einem Vortrag in die Buddha-Halle wollte („Schuhe und Verstand bitte draußen lassen“, hieß es auf dem Schild am Eingang), musste sich zuerst einem Schnüffeltest unterziehen; Bhagwan war allergisch gegen Shampoos und Kosmetikprodukte, und wer nach solchen roch, dem wurde der Zutritt verwehrt.

OSHO - NEGATIVE BERICHTE IN DEN MEDIEN


In den 1970er Jahren wurde zum ersten Mal auch die westliche Presse auf Bhagwan, den „Sex-Guru“, aufmerksam. Die Berichte konzentrierten sich auf die Therapiegruppen, Bhagwans Einstellung zu Sex und seine oft schelmischen, auf Schockwirkung ausgerichteten Äußerungen („Selbst Menschen wie Jesus sind noch ein kleines bisschen neurotisch“). Auch das Verhalten von Sannyasins wurde zum Gegenstand von Kritik. Um Geld zur Verlängerung ihres Indien-Aufenthaltes zu verdienen, gingen einige Frauen regelmäßig nach Bombay, wo sie sich als Prostituierte verdingten. Andere Sannyasins versuchten sich im Schmuggel von Opium, Haschisch und Marihuana; manche wurden gefasst und landeten im Gefängnis. Der Ruf des Ashrams litt darunter. Als im Januar 1981 Welf Prinz von Hannover (Swami Anand Vimalkirti), ein Cousin von Prinz Charles und Nachkomme von Kaiser Wilhelm II., in Poona einem Schlaganfall erlag, stellten die besorgten Verwandten sicher, dass seine kleine Tochter nicht bei ihrer Mutter (ebenfalls Sannyasin) in Poona aufwachsen würde. Mitglieder der Anti-Kult-Bewegung begannen zu behaupten, dass Sannyasins gegen ihren Willen zur Teilnahme an Therapiegruppen gezwungen würden, Nervenzusammenbrüche erlitten und in die Prostitution und Drogenkriminalität gedrängt würden.
Die feindliche Einstellung der umgebenden Gesellschaft schien Bhagwan nichts auszumachen, wenn auch 1980 ein Mordanschlag auf ihn verübt wurde – Vilas Tupe, ein extremistisch gesinnter Hindu, warf während eines Morgenvortrags ein Messer nach ihm, verfehlte jedoch sein Ziel. Das Erscheinen des in Indien verbotenen Films Ashram, der das Geschehen in den Therapiegruppen unzensiert abbildete, und Bhagwans unverblümte Kritik am damaligen Premierminister Morarji Desai veranlassten den indischen Staat, eine härtere Linie gegenüber dem Ashram einzunehmen. Unter anderem wurde dem Ashram rückwirkend der steuerbefreite Status entzogen, was in einer Steuerforderung in Millionenhöhe mündete.

OSHO - UMZUGSABSICHTEN UND BEGINN VON BHAGWANS SCHWEIGEPHASE



Angesichts der immer weiter anwachsenden Besucherzahlen und der feindseligen Einstellung der Stadtverwaltung zogen Bhagwans Schüler einen Umzug nach Saswad, etwa 30 km außerhalb von Poona, in Betracht, wo sie eine landwirtschaftliche Kommune aufbauen wollten Doch eine Brandstiftung und die Vergiftung eines Brunnens in Saswad machten deutlich, dass der Ashram auch dort nicht willkommen war. Ein anschließender Versuch, in Gujarat Land für den Ashram zu erwerben, scheiterte am Widerstand der lokalen Behörden.
Bhagwans Gesundheit verschlechterte sich gegen Ende der 1970er Jahre; sein persönlicher Kontakt mit Sannyasins wurde schon ab 1979 reduziert. Aus den abendlichen Darshans wurden Energie-Darshans – statt persönlicher Gespräche fand nun eine „Energieübertragung“ statt, bei der Bhagwan mit seinem Daumen auf das in der Mitte der Stirn befindliche „dritte Auge“ des Schülers drückte. Am 10. April 1981 trat Bhagwan nach einer Krankheit in eine Phase des Schweigens ein, und statt der täglichen Vorträge gab er nun Satsangs (stilles Zusammensitzen, mit kurzen Phasen von Lesungen aus verschiedenen Werken und Live-Musik). Etwa zur selben Zeit löste Ma Anand Sheela (Sheela Silverman) Laxmi als Bhagwans Sekretärin ab. Sheela kam zu dem Entschluss, dass Bhagwan, der zu dieser Zeit unter einem langwierigen und sehr schmerzhaften Bandscheibenproblem litt, zur Sicherstellung besserer medizinischer Behandlungsmöglichkeiten in die Vereinigten Staaten reisen sollte. Bhagwan und Vivek hielten anscheinend anfangs nicht viel von der Idee, doch Sheela setzte sich durch.

OSHO - ANKUNFT IN AMERIKA UND PLANUNG DER NEUEN KOMMUNE


Ankunft in Amerika und Planung der neuen Kommune
Am 1. Juni 1981 reiste Bhagwan daher nach Amerika, zunächst nach Montclair (New Jersey). Sheela kaufte kurz darauf in Oregon für 5,75 Millionen Dollar die entlegene Big Muddy Ranch (früherer Drehort einiger Westernfilme mit John Wayne); sie wollte dort eine Kommune aufbauen und die heruntergewirtschaftete Ranch in eine Oase verwandeln.
Sheelas Plan, eine solche Kommune aufzubauen, barg von Anfang an erhebliche Schwierigkeiten. Zum einen würde das Projekt große Geldsummen verschlingen und zum anderen galt es, die Reaktion der ansässigen Bevölkerung zu berücksichtigen. Viele Oregoner standen dem Gedanken, dass ein indischer spiritueller Lehrer mit seinen Schülern sich in ihrer Nachbarschaft niederlassen würde, von Anfang an bange oder ausgesprochen feindselig gegenüber. Ein weiteres Problem war, dass die Ranch als landwirtschaftliches Land klassifiziert war und nach den geltenden Landnutzungsbestimmungen nur eine kleine Anzahl Häuser enthalten durfte.[52] Das vierte Problem waren die Einwanderungsbestimmungen der Vereinigten Staaten – die meisten Sannyasins, wie auch Bhagwan selbst, hatten weder die amerikanische Staatsbürgerschaft noch eine permanente Aufenthaltserlaubnis. Das letzte Problem war Bhagwan selber, der sich bei seinem ersten Besuch in der baumlosen Landschaft im August 1981 wenig enthusiastisch zeigte. Trotzdem sah es eine Weile so aus, als würde Sheelas Wunschtraum in Erfüllung gehen. Sannyasins in aller Welt wurden kontaktiert und angehalten, Geld in das Projekt zu investieren, mit der Aussicht, dass ihnen dort dann ein Wohnplatz geboten würde.
1982 wurde die Stadt Rajneeshpuram auf dem Gelände der Ranch gegründet. Hunderte von bereits in Oregon angekommenen Sannyasins arbeiteten am Aufbau der notwendigen Infrastruktur. Die Stadt hatte bald eine eigene Post, Schule, Feuerwehr, Einkaufszentren, Restaurants und ein öffentliches Transportsystem mit 85 Bussen. Ein Flugplatz (Big Muddy Ranch Airport) mit stadteigenen Flugzeugen stand zur Verfügung. Ein Mandir diente als Meditations- und Versammlungshalle. Außerdem hatten die Sannyasins leerstehende Häuser in der nächstgelegenen Ortschaft, Antelope (etwa fünfzig Einwohner), aufgekauft und dort die Mehrheit im Stadtrat gewonnen. Die Kommune empfing Tausende von Besuchern aus aller Welt zu den jährlichen Master's Day Festivals. Viel Presseinteresse erregte in den folgenden Jahren eine Flotte von bis zu 93 Rolls-Royce, die Bhagwan von seinen Schülern zur Verfügung gestellt wurde. Die Luxuswagen symbolisierten Bhagwans enthusiastische Befürwortung von innerem wie auch äußerem Reichtum; zudem waren sie eine bewusst provokative Satire auf Amerikas Besessenheit von dem Automobil.

OSHO - AIDS-WARNUNG


Im März 1984 gab Sheela bekannt, Bhagwan habe gesagt, dass in den kommenden Jahren etwa zwei Drittel der Menschheit an der damals erst seit Kurzem bekannten AIDS-Krankheit sterben würden; Sannyasins hätten infolgedessen besondere Sicherheitsvorkehrungen beim Sex zu beachten (kein Sex ohne Kondom und Einmalhandschuhe, kein Austausch von Körperflüssigkeiten, etwa durch Küssen, usw.). Statt ungeschützter Promiskuität wurde den Sannyasins nun verantwortungsvoller „safer sex“ nahegelegt. Diese Reaktion hielten viele Beobachter für überzogen; die Ansteckungsgefahr bei AIDS wurde damals noch nicht als Risiko bei heterosexuellen Kontakten gesehen, und der Gebrauch von Kondomen war in diesem Zusammenhang noch nicht weithin empfohlen.

OSHO - ABGLEITEN DER KOMMUNELEITUNG IN DIE KRIMINALITÄT


Im September 1984 initiierte Sheela ein „Share-a-Home“-Programm für Obdachlose. Busse wurden in amerikanische Großstädte geschickt und kamen mit mehreren Tausend Obdachlosen zurück, denen man ein neues Leben in Rajneeshpuram angeboten hatte. Dies passte überhaupt nicht mit Bhagwans Lehren zusammen – Bhagwan hatte christliche Wohlfahrtsmaßnahmen in Indien immer als heuchlerisch und kontraproduktiv kritisiert –, und da zudem am 6. November 1984 eine wichtige Kommunalwahl in Wasco County bevorstand, bei der die Obdachlosen nach Oregons liberalen Wahlregelungen hätten mitwählen dürfen, wurde die Aktion von der Öffentlichkeit als Maßnahme zur Vergrößerung des Rajneeshpuram-Stimmanteils gesehen. Nach einer schnellen Änderung der Wahlbestimmungen durch die Behörden, welche die Registrierung der Obdachlosen als Wähler erschwerte, wurden viele von ihnen einfach in die nächste größere Stadt gefahren und dort abgesetzt.
Im Oktober 1984 gab Bhagwan bekannt, dass er seine Schweigephase beenden und von nun an wieder Vorträge halten würde. Die Verwaltung von Rajneeshpuram scheint zu diesem Zeitpunkt vollkommen außer Kontrolle gewesen zu sein. Sheela hatte heimlich Abhöranlagen im Telefonsystem von Rajneeshpuram und sogar in Bhagwans eigenem Haus installiert. Sannyasins, die mit ihrem Führungsstil nicht einverstanden waren, wurden isoliert und unter Druck gesetzt; viele verließen Rajneeshpuram. Die internen und externen Konflikte hatten bei Sheela und ihrem Führungsteam eine Spirale der Verzweiflung ausgelöst, die schließlich in soziopathischem und kriminellem Verhalten mündete.

OSHO - PRESSEKONFERENZ


Das wahre Ausmaß dieses kriminellen Fehlverhaltens wurde erst Mitte September 1985 bekannt, als Sheela und ihr Führungsteam die Kommune fluchtartig verließen. Bhagwan berief zwei Tage darauf, am Montag, dem 16. September, eine Pressekonferenz ein. Dort berichtete er, Sheela und ihr Team hätten laut Aussagen von Sannyasins, die ihm seit Sheelas Abreise von Vivek und seinen beiden Ärzten zugetragen worden seien, verschiedene Verbrechen begangen, und bat die Behörden, Ermittlungen gegen Sheela und ihr Team einzuleiten. Diese Untersuchungen resultierten in der Verhaftung und Verurteilung von Sheela und mehreren ihrer Mitarbeiter. Wie sich herausstellte, hatten Mitglieder von Sheelas Team ein Jahr zuvor, im September 1984, also ebenfalls im Vorfeld der County-Wahlen, vorsätzlich Salmonellen in das Essen verschiedener Restaurants der Kleinstadt The Dalles in Oregon lanciert, um zu sehen, ob es möglich wäre, Wahlberechtigte krank zu machen und so das Ergebnis der Wahlen zu beeinflussen. Etwa 750 Menschen erkrankten, 45 mussten ins Krankenhaus. Bhagwans Leibarzt Swami Devaraj, den Sheela wegen seines direkten Zugangs zu Bhagwan als Konkurrenten betrachtete, und zwei Beamte der Oregoner Behörden waren im Auftrag Sheelas vergiftet worden; Devaraj und einer der Beamten wurden daraufhin ernsthaft krank, erholten sich aber schließlich wieder. Bhagwan erklärte, von diesen Verbrechen nichts gewusst zu haben, und wurde von den Behörden auch nie ihretwegen belangt, aber sein ohnehin schon umstrittener Ruf erlitt dennoch schweren Schaden, besonders im Westen.

OSHO - VERHAFTUNG




Am 23. Oktober 1985 finalisierte eine Federal Grand Jury unter Ausschluss der Öffentlichkeit eine Anklageschrift gegen Bhagwan wegen angeblicher Einwanderungsdelikte. Am 28. Oktober 1985 wurde Bhagwan nach einem Flug nach North Carolina ohne Haftbefehl (die Anklage war noch nicht offiziell angekündigt worden) festgenommen. Als Begründung gaben die amerikanischen Behörden an, er habe die USA verlassen wollen. Bhagwan wurde daraufhin von seinen Begleitern getrennt und die nächsten zwölf Tage in Ketten von einem Gefängnis zum nächsten transportiert, bis er schließlich wieder in Oregon ankam. Er bekam eine zehnjährige Bewährungsstrafe, die unter der Bedingung, das Land zu verlassen, ausgesetzt wurde, sowie eine Geldstrafe von 400.000 Dollar. Bhagwan behauptete danach, er sei in den zwölf Tagen, die er in verschiedenen amerikanischen Gefängnissen verbrachte, mit einem Mittel vergiftet worden, das später nicht mehr nachweisbar sei.

OSHO - DIE WELTREISE


Weltreise
Nach längeren Aufenthalten in Nepal, Kreta und Uruguay und verschiedenen Irrflügen um den Globus, während deren ihm fast überall auf massives Betreiben der entsprechenden Stellen der Vereinigten Staaten die Einreise verweigert wurde, kehrte Bhagwan Anfang 1987 schließlich in den Ashram in Pune zurück.

OSHO - DIE MULTIVERSITY


Der Ashram nahm seine früheren Tätigkeiten wieder auf – Bhagwans Diskurse wurden veröffentlicht und Therapiekurse fanden statt, wenn auch nun in weniger kontroversem Stil als früher. Der Ashram wurde ausgebaut und präsentierte sich jetzt als „Multiversity“, ein Ort, in dem Therapie als Brücke zur Meditation fungieren sollte. Die Besucherströme nahmen wieder zu. Unter seinen Sannyasins war angesichts der Erfahrungen in Oregon die frühere Vorliebe für kommunales Zusammenleben mit anderen Sannyasins weitgehend erloschen; die meisten zogen es nun vor, ein unauffälliges und eigenständiges Leben in der Gesellschaft zu führen. Die Verpflichtung, orange bzw. rote Kleidung und die Mala zu tragen, wurde Ende 1985 abgeschafft.
Bhagwan entwickelte neue Meditationstechniken, darunter die „Mystic Rose“-Technik, und begann wieder, Meditationen persönlich zu leiten. Seine täglichen Vorträge fanden nun abends und nicht wie früher morgens statt. Ab April 1988 befasste er sich in ihnen ausschließlich mit Zen-Meistern. Im August 1988 führte Bhagwan die roten Roben für seine Anhänger wieder ein; diese wurden jetzt aber nur noch im Ashram selbst getragen und ohne Mala. Beim abendlichen Meeting wurden (und werden auch heute noch) weiße Roben getragen. Ende 1988 erklärte er, dass er nicht mehr Bhagwan genannt werden wolle – der Scherz sei nun vorbei: „I don’t want to be called Bhagwan again. Enough is enough! The joke is over!“ Nach einigen Wochen ohne Namen akzeptierte er auf den Vorschlag seiner Schüler hin den Namen Osho, der als respektvolle Anrede in einigen Zen-Geschichten, die er in seinen Vorträgen besprochen hatte, aufgetaucht war. 1989 ließ er ankündigen, dass der Ashram in Zukunft als ein Urlaubs- und Meditationsresort („Club Meditation“) geführt werden solle.