Mittwoch, 6. Februar 2013

WISSEN - TIEFRELIGIÖSE INDER, FLEXIBLE CHINESEN



China dagegen war auch vor Mao Zedong längst nicht so religiös, mit Ausnahme Tibets. Die Volksrepublik ist traditionell vom Buddhismus und Daoismus geprägt, auch die Zahl der Christen wächst stetig. Doch Buddhismus und Daoismus sind eher philosophischer Natur. Sie prägen den Alltag der Bürger wenig. Im alten China war das Volk vor allem dem Kaiser treu ergeben. Er bestimmte über Wohl und Weh, wurde ähnlich einem Gott verehrt. Das widerspricht weder dem Buddhismus noch dem Daoismus. Einen Ausschließlichkeitscharakter wie im Christentum gibt es nicht. Man kann Daoist sein und Buddhist. Bedingungsloser Gehorsam gegenüber dem einen, allmächtigen Schöpfer ist nicht Teil der Lehre.

Auch die Lehre des Konfuzius, bis heute relevant in China, passt in diesen Kontext. Konfuzius schließt die Existenz eines Gottes weder aus, noch macht er den Menschen vom Glauben an einen Gott abhängig. Auch darum ist vielen Chinesen unbegreiflich, warum es als Werteverlust verstanden wird, wenn ein Großteil der Chinesen sich als unreligiös betrachtet. Und doch ist die Sorge um den Werteverlust, um kulturelle Entwurzelung in China nicht unbegründet. Von einem "Sinnesvakuum" spricht gar Ashis Nandy, 75, Indiens großer Sozialwissenschaftler, wenn es um China geht.



Hindus glauben an viele Götter
Aber auch Indien läuft Gefahr, sich vom tieferen Sinn der eigenen Religionen zu entfernen, meint Vivek Kumar, Professor für Sozialwissenschaften in Delhi. Viele Inder neigen, so Kumar, zu abergläubischem Verhalten. Mancher lässt von einem Guru bestimmen, wie er sein Wohnzimmer einrichten soll. Dabei gibt es im Hinduismus keine Grundlagen für solcherlei Beratung. Selbsternannte Gurus und religiöse Führer gibt es unzählige, religiöse Radio- und TV-Sender haben Hochkonjunktur. Im Hinduismus, meint Kumar, werde wenig hinterfragt.
Die meisten Hindus glauben an viele Götter. Neue Götter zu akzeptieren, fällt ihnen leicht. Ein Bild von Jesus reiht sich neben Shiva und Ganesha ein. Viele Hindus konvertierten in der Vergangenheit zu anderen Religionen um Besserstellung zu erreichen – vor allem die unteren Kasten.