Montag, 4. Februar 2013

OSHO - VORTRAGSREISEN 1961-1970


In den 1960er Jahren unternahm Rajneesh, wann immer es ihm seine Lehrtätigkeit erlaubte, ausgedehnte Vortragsreisen durch Indien in denen er Gandhi und den Sozialismus kritisierte. Sozialismus und Gandhi, so sagte er, verherrlichten beide die Armut, anstatt sie abzulehnen Indien brauche Kapitalismus, Wissenschaft, moderne Technologie und Geburtenkontrolle, um seiner Armut und Rückständigkeit entkommen zu können. Auch zum orthodoxen Hinduismus äußerte er sich kritisch: die brahminische Religion sei steril, alle politischen und religiösen Systeme seien falsch und heuchlerisch. Mit solchen Äußerungen machte er sich bei vielen unbeliebt, aber sie brachten ihm auch Aufmerksamkeit. Etwa um diese Zeit begann er, den Titel Acharya zu verwenden. 1966 gab er seine Lehrtätigkeit an der Universität auf und widmete sich von nun an ganz seiner Karriere als Redner und spiritueller Lehrer.
Acharya Rajneesh hielt seine frühen Vorträge auf Hindi; sie zogen deshalb kaum westliche Besucher an. Indische Kommentatoren bescheinigten ihm eine charismatische Ausstrahlung, die selbst auf Menschen, die seinen Ansichten ablehnend gegenüberstanden, eine Faszination ausübte. Seine Reden brachten ihm bald loyale Anhänger, darunter eine Reihe wohlhabender Geschäftsleute. Rajneesh erteilte individuelle Lebensberatung und erhielt dafür Spenden – eine übliche Vorgehensweise in Indien, wo Leute Rat von Gelehrten und Heiligen einholen, ähnlich wie Menschen im Westen Psychotherapeuten oder Lebensberater aufsuchen. Dem schnellen Wachstum seiner Praxis nach zu urteilen, scheint er ein ungewöhnlich begabter spiritueller Therapeut gewesen zu sein. Mehrmals im Jahr leitete er Meditations-Camps mit aktiven, kathartischen Elementen, und es wurden erste Meditationszentren (Jivan Jagruti Kendras, Lebenserweckungszentren) gebildet.
Seine „Lebenserweckungsbewegung“ (Jivan Jagruti Andolan) wurde in dieser Zeit hauptsächlich von Mitgliedern der Jaina-Religionsgemeinschaft in Bombay unterstützt. Einer von diesen war während des indischen Unabhängigkeitskampfes ein wichtiger Geldgeber für die Indian National Congress Party gewesen, mit engen Kontakten zu führenden Politikern wie Gandhi, Jawaharlal Nehru und Morarji Desai, und seine Tochter Laxmi wurde Rajneeshs Sekretärin und erste richtige Schülerin.[
Acharya Rajneesh behauptete, dass Menschen schockiert werden müssten, nur so könne man sie aufwecken. Schockiert zeigten sich in der Tat viele Inder von einer Vortragsreihe 1968, in der er die Einstellungen der indischen Gesellschaft gegenüber Liebe und Sex scharf kritisierte und für eine freizügigere Atmosphäre plädierte. Die Grundenergie der Sexualität sei göttlich, sagte er; sexuelle Gefühle sollten nicht unterdrückt, sondern dankbar akzeptiert werden. Nur durch Anerkennung seiner wahren Natur könne der Mensch frei werden. Von Religionen, die für einen Rückzug vom Leben eintraten, hielt er nichts; wahre Religion, so sagte er, sei eine Kunst, die lehre, wie man das Leben in vollen Zügen genießen könne. Diese Vortragsreihe wurde später als Buch unter dem Titel From Sex to Superconsciousness (Titel der deutschen Ausgabe: Vom Sex zum kosmischen Bewusstsein) veröffentlicht und brachte ihm in der indischen Presse den Titel „Sex-Guru“ ein. Gegen den Widerstand einiger hochrangiger Hindus wurde er im folgenden Jahr dennoch als Redner zur Second World Hindu Conference eingeladen. Dort verursachte er einen weiteren Eklat, indem er die Gelegenheit dazu benutzte, alle organisierten Religionen und ihre Priesterschaft zu kritisieren, und den obersten Priester des Hinduismus in Rage versetzte.