Verdorrtes Getreide, hungerndes Vieh,
ausgetrocknete Seen und Flüsse: Was wie eine Szene aus einem apokalyptischen
Film anmutet, ist in den USA in diesem Sommer Realität geworden. Seit 1956 war
es in den Staaten nicht mehr so trocken und heiss wie in den letzten Wochen und
Monaten. 55 Prozent des gesamten Territoriums sind von der Jahrhundert-Dürre
betroffen – besonders im Landesinnern ist die Situation verheerend, und die Not
wird täglich grösser.
Die Dürreperiode kam schleichend: Sie
begann bereits im Jahr 2010 und setzt sich jetzt mit einer fast
niederschlagsfreien Hitzeperiode fort. In vielen Bundesstaaten fielen die
Temperaturen über Wochen tagsüber nicht unter 37,5 Grad Celsius. Schon jetzt
steht fest, dass der Juli einer der heissesten Monate in der US-Geschichte
wird. Mindestens 30 Menschen sind aufgrund der flirrenden Hitze bereits
gestorben.
Geschützte Flächen freigegeben
Über 1000 Bezirke in 29 Bundesstaaten
sind vom Landwirtschaftsministerium zu Naturkatastrophen-Regionen erklärt
worden. Besonders betroffen sind die südlichen und zentralen Rocky Mountains,
von New Mexiko über Colorado bis Utah, die flachen, weiten Prärieebenen im
Zentrum der Great Plains, von Texas bis Oklahoma, und weite Teile des Ohio
Valleys.
Nun hat die US-Regierung angesichts
der dramatischen Situation geschützte Flächen freigegeben. Dort können die
Farmer ihr Vieh grasen lassen und Heu einbringen. Bei diesen Flächen handelt es
sich etwa um Wasserschutzgebiete oder Feuchtgebiete. Die Ausnahmegenehmigungen
gelten ab sofort.
Rasche Hilfe der Regierung
Landwirtschaftsminister Tom Vilseck
erklärte gestern, Präsident Obama und er fühlten sich wegen der schlimmsten
Dürre seit 70 Jahren verpflichtet, den Landwirten und ländlichen Gemeinschaften
in diesen harten Zeiten so schnell wie möglich zu helfen.
Die Versicherungsunternehmen rief die
Regierung auf, den Bauern ihre Beiträge für Ernteausfallversicherungen für
einen Monat zu erlassen. Im Gegenzug könnten die Versicherungen ihre Zahlungen
an die Landwirte um einen Monat verschieben.
Den Zinssatz für Notkredite senkte
die Regierung bereits kürzlich von 3,75 auf 2,25 Prozent. Farmer in den
Notstandgebieten haben Anspruch auf Notkredite, wie das Landwirtschaftsministerium
betonte.
Trockenheit dürfte anhalten
Über die Ursache für die extreme
Dürreperiode sind sich die Experten nicht einig: Forscher des Nationalen
Zentrums für Atmosphären-Forschung in den USA machen gemäss «Welt
online» die globale Klimaerwärmung dafür verantwortlich. Andere
Wissenschaftler widersprechen jedoch – und verweisen auf die zeitgleich
niedrigen Temperaturen in Europa. So führt etwa Mark Svoboda, Experte für
Trockenheitsfolgen an der Universität von Nebraska, die Dürre auf einen Winter
mit extrem wenig Schneefall und einen überdurchschnittlich warmen Frühling
zurück. Dadurch sei die Erde ausgetrocknet, erläutert er
gegenüber der «Huffington Post». Auch Sonia Seneviratne,
Assistenzprofessorin am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich,
stützt diese Analyse: «Die derzeitigen Bedingungen im zentralen Nordamerika
sind vor allem von einem starken Niederschlagsdefizit und heissen Temperaturen
in den letzten Wochen verursacht worden», erläutert sie gegenüber
Tagesanzeiger.ch/Newsnet. An gewissen Orten in Texas seien die momentanen
Wetterbedingungen auch Ausläufer einer Extremdürre, die bereits im letzten
Sommer begonnen habe.
Experten befürchten, dass die Krise
noch Monate dauert. Gemäss der ETH-Forscherin Seneviratne lässt sich zurzeit
nur schwer beurteilen, wie lange die Extremperiode anhalten wird. «Wenn es ein
paar Wochen gut regnen würde, könnte sich die Situation rasch entspannen.» Sie verweist jedoch auf Vorhersagen,
die darauf hindeuten, dass es auch in den nächsten zwei Wochen weniger Regen
als normal geben wird.
Die Folgen der Dürre sind
vielschichtig und reichen weit: Die USA haben als grösster Maisexporteur der
Welt ihre Produktion bereits um acht Prozent gegenüber dem Vorjahr gesenkt,
berichtet «Welt online». Gut 80 Prozent des Mais-Bestandes sind von der
Trockenheit betroffen; der bekannte «Corn Belt» (Mais-Gürtel) liegt mitten im
Dürregebiet. Die Farmer sind daher von Pleitewellen bedroht – und die
Konsumenten von Preissteigerungen betroffen. In den Supermärkten werden die
Lebensmittelpreise bald drastisch steigen.
Betroffen sind letztlich die
Ärmsten
Die Fleischpreise dürften zwar
zunächst wegen des bevorstehenden Überangebots fallen. Sobald jedoch die
Kühllager leer sind, wird der Nachschub dramatisch knapp. Im Herbst dürften
schliesslich die Preise deutlich über das Normalmass steigen. Das könnte die
Präsidentschaftswahlen im November direkt beeinflussen – ebenso wie die
schwankenden Preise an den Tankstellen.
Der Wert anderer Lebensmittel dagegen
klettert früher: Mais, Soja, Milch, Butter, Erdnüsse und Bohnen haben sich
gemäss «Welt online» an den Terminbörsen bereits fast um die Hälfte verteuert.
In den Läden werden diese Steigerungen im Herbst ankommen. Die Verbraucher in
westlichen Staaten könnten die Preise jedoch verkraften – nicht so die Menschen
in ärmeren Weltregionen. Sie geben einen grossen Teil ihres Einkommens für die
Ernährung aus.
Doch selbst wenn irgendwann der
durchschnittliche Niederschlag zurückkommt, ist die Katastrophe noch längst
nicht ausgestanden, denn Bäume sterben oft erst Jahre nach der Dürre. Derartige
Wetterphänomene besser vorhersagen zu können, ist daher gemäss Seneviratne ein
wichtiger Forschungszweig – umso mehr, als wegen des Klimawandels erwartet
werde, dass solche Trockenheitsperioden künftig öfter auftreten werden.