Dienstag, 25. November 2014
Freitag, 26. April 2013
AKTUELL - NO SMOKERS!!!!!
Von David Hesse, Washington.
Unternehmen in den USA stellen vermehrt nur noch Nichtraucher ein. Nun diskutieren Wissenschaftler, ob dies legal, ethisch vertretbar und medizinisch sinnvoll ist.
Raucher brauchen sich gar nicht erst zu bewerben. Die Spitäler und Forschungszentren der University of Pennsylvania haben beschlossen, ab Juli nur noch Nichtraucher einzustellen. Diese «NonNicotine Hiring Policy» soll laut einer Mitteilung der Unternehmensleitung die «Gesamtgesundheit» der rund 16 000 Beschäftigten verbessern sowie die Krankenversicherungskosten im Betrieb senken. Bereits angestellte Raucherinnen und Raucher werden nicht entlassen, müssen allerdings mit höheren Versicherungsprämien rechnen, wenn sie keine Entwöhnungstherapie in Anspruch nehmen.
Es sind harte Zeiten für Tabakfreunde in den USA. Nachdem das Rauchen an praktisch allen Arbeitsplätzen verboten worden ist, beginnen immer mehr Firmen, ihren Angestellten die Zigarette und die Pfeife auch im Freien und daheim zu verbieten. Vor allem Spitäler und Gesundheitsdienstleister, aber auch Betriebe wie die Alaska Airlines oder der Pflanzenschutzmittel-Hersteller Scotts Miracle-Gro verlangen von ihren Belegschaften den totalen Rauchverzicht. Offene Stellen schreiben sie explizit mit dem Vermerk «Nur Nichtraucher» aus. Zur Durchsetzung des Verbots führen manche Firmen regelmässige Urintests durch, andere verlassen sich auf das Ehrenwort der Angestellten.
Gerechtigkeit als Argument
Begründet wird der Raucherausschluss vor allem wirtschaftlich: Laut einer 2009 im «Journal of Tobacco Policy & Research» erschienenen Studie fehlen Raucher öfter krankheitshalber am Arbeitsplatz als ihre nicht rauchenden Kollegen. Und selbst relativ gesunde Tabakkonsumenten verursachen in einem Zeitraum von drei Jahren gemäss Studie höhere Gesundheitskosten als Nichtraucher. Die US-Regierung geht davon aus, dass jeder rauchende Arbeitnehmer betriebliche Mehrkosten von 4000 Dollar pro Jahr verursacht. Wer also eine Belegschaft von Nichtrauchern beschäftigt, müsste unter dem Strich produktiver und kostengünstiger sein. Langzeitstudien gibt es hierzu allerdings noch nicht. Nichtraucherbetriebe sind ein junges Phänomen.
Nicht wenige Arbeitgeber argumentieren überdies mit der Gerechtigkeit: «Wir fanden es unfair, dass jene Angestellten, die einen gesunden Lebenswandel pflegen, ihre ungesunden Kollegen subventionieren mussten», äusserte sich etwa Steven Bjelich, der Chef des seit kurzem raucherfreien St. Francis Medical Center in Cape Girardeau, Missouri. Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern müssen in den USA risikogepoolte Krankenversicherungen haben. Wer also keine Raucher einstellt, muss für deren Erkrankungen keine Nichtraucher mehr bezahlen lassen.
Blick in die Zukunft
Spätestens hier aber stellt sich die Frage, weshalb von allen ungesund lebenden Arbeitnehmern nur die Raucherinnen und Raucher ins Visier genommen werden. Schliesslich belasten auch andere ihre Kollegen mit willentlicher Selbstschädigung. Müssten nicht auch Alkoholkonsum, Fettleibigkeit und der Hang zu Risikosport bestraft werden?
John Mackey, der Gründer der teuren Bio-Supermarktkette Whole Foods, lässt erahnen, wie die Zukunft aussehen könnte. Er gewährt seinen Angestellten unterschiedlich hohe Rabatte auf Selbsteinkäufe im Supermarkt – je nach deren Blutdruckwerten, Body-Mass-Index und Rauchgewohnheiten. Wo immer es rechtlich möglich ist, stellt auch Whole Foods keine Raucher mehr ein.
Vorgehen ist in Ordnung
Grundsätzlich ist das Nichteinstellen von Tabakkonsumenten legal. Die US-Verfassung schützt die Raucher nicht als Minderheit, also können Raucher auch nicht diskriminiert werden. Anders als Übergewichtige, die aufgrund der Gesetze zum Schutz der Behinderten nicht aufgrund ihrer Leibesfülle gegängelt oder entlassen werden dürfen, können Raucher nach Belieben geschasst oder eben nicht engagiert werden. «Wir sprechen keinem Raucher das Recht auf Tabak ab. Aber wir nehmen uns die Freiheit, diese Leute nicht einzustellen», erklärte eine Sprecherin der Spitalkette Geisinger Health System in Danville, Pennsylvania.
Das geht allerdings nicht mehr überall: die Tabaklobby und die für Bürgerrechte eintretende American Union of Civil Liberties haben dafür gesorgt, dass in immerhin 29 der 50 US-Bundesstaaten sowie in der Hauptstadt Washington nun auch Raucher am Arbeitsplatz einen gewissen Schutz vor Diskriminierung geniessen. Die Universität Pennsylvania etwa muss bei ihrem anstehenden Raucherstopp deshalb alle Mitarbeiter in den Dépendancen von New Jersey ausnehmen.
«Paradoxes» Raucherverbot
Neben juristischen wirft die Ausgrenzung der Raucher aber auch ethische Fragen auf. In der Fachzeitschrift «New England Journal of Medicine» schreiben drei Gesundheitswissenschaftler der Universität McGill in Montreal sowie der eben raucherfrei werdenden Universität Pennsylvania, es sei gerade für Gesundheitsbetriebe «paradox», Rauchern die Anstellung zu verweigern. Schliesslich seien Spitäler dazu da, alle Kranken zu pflegen, auch jene, die ihr Leiden mit eigenem Verhalten befördert hätten. Es sei «gefühllos und widersprüchlich», Patienten mit «chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen, Herzproblemen, Diabetes oder durch ungeschützten Sex übertragenen Infektionen» zu behandeln, jedoch keine Raucher mehr zu beschäftigen.
Zudem sei es sozialpolitisch falsch, ausgerechnet Rauchern den Broterwerb zu erschweren. Denn die Bevölkerungsgruppe der Tabakkonsumenten ist in den USA – wie in den meisten westlichen Ländern – laut der Statistik sowieso bereits benachteiligt. Mehr als 36 Prozent der Amerikaner, die unterhalb der Armutsgrenze leben, sind auch Raucher. Von den Arbeitslosen rauchen sogar 48 Prozent.
4000 Dollar pro Raucher
Oberhalb der Armutsgrenze hingegen rauchen nur 22,5 Prozent. Die nikotinfreie Personalpolitik treffe deshalb, so die Wissenschaftler, in disproportionaler Weise jene, die am dringendsten einen Job benötigten. In raucherfreien Spitälern seien denn auch vor allem Reinigungspersonal und Hausdienst betroffen. Die Autoren empfehlen den US-Arbeitgebern, ihren Angestellten statt mit Sanktionen besser mit finanziellen Anreizen zu begegnen.
Ein Experiment in der Belegschaft von General Electric zeigte, dass eine Belohnung von 750 Dollar dreimal mehr Menschen zum Rauchstopp bewog als jede Informationskampagne. Doch die Sache hatte einen Haken. Als General Electric das Anreizsystem implementieren wollte, protestierten die Nichtraucher. Da sie nie geraucht hätten, sei die Prämie für sie unerreichbar. Das Unternehmen sah das ein und schwenkte zurück auf Sanktionen. Raucher müssen bei General Electric höhere Versicherungsprämien bezahlen. «Jeder rauchende Arbeitnehmer kostet den Betrieb laut US-Regierung zusätzlich 4000 Dollar pro Jahr.»
Montag, 8. April 2013
LEBEN - ONLINE-PARTNERBÖRSEN
Online-Partnerbörsen: Psychologen halten Dating-Seiten für untauglich
Von Holger Dambeck
Die Suche nach dem Traumpartner im Internet ist ein Millionengeschäft. US-Psychologen haben Dating-Seiten jetzt wissenschaftlich untersucht und kommen zu einem vernichtenden Urteil: Die Versprechen der Anbieter sind kaum haltbar.
Wenn es um Liebe geht, glauben viele Menschen an göttliche Fügung. Der Mann oder die Frau fürs Leben wird einem schon irgendwann über den Weg laufen - und wenn das passiert, dann wird man das gewiss merken. Doch nicht immer taucht der Traumpartner einfach so aus dem Nichts auf - Online-Partnerbörsen versprechen da Abhilfe. Sie betreiben die Suche nach dem Märchenprinzen ganz ähnlich wie ein Immobilienmakler die Fahndung nach der Traumwohnung. Man benötigt nur genügend Eckdaten (Interessen, Vorlieben, Wünsche an den potentiellen Partner) - und bringt die Suchenden dann per Matching-Algorithmus zusammen.
Anbieter wie Parship.de oder Match.com berufen sich dabei ausdrücklich auf wissenschaftlich fundierte Partnervorschläge. "Als Paarforscher wissen wir, wie glückliche Partnerschaften entstehen", schreibt beispielsweise Parship auf seiner Web-Seite und verspricht eine Partnerschaft, die auch längerfristig "inspirierend und lebendig bleibt".
Doch nun stellen zwei amerikanische Psychologen die Matching-Algorithmen der Dating-Seiten in Frage. Diese könnten kaum den Erfolg eine Beziehung vorhersagen, schreiben Eli Finkel von der Northwestern University und seine Kollegen in einer vorab veröffentlichten Studie im Fachblatt "Psychological Science in the Public Interest".
Es gibt Dutzende Dating-Seiten in Deutschland. Viele große Web-Seiten, auch SPIEGEL ONLINE, haben eine oder mehrere Börsen als Partner. Bei praktisch allen Anbietern müssen Singles zunächst einen umfangreichen Fragenkatalog abarbeiten. Aus den Antworten ermitteln die Betreiber dann ein Persönlichkeitsprofil, das Basis der Vermittlung ist. Der Anbieter eDarling.de nutzt dabei Big Five, ein aus fünf Komponenten bestehendes Persönlichkeitsmodell. Die meisten Dating-Seiten bringen bei vielen dieser Kriterien und Unterkriterien nur Personen zusammen, die einander ähneln. Bei einzelnen Merkmalen gilt jedoch auch "Gegensätze ziehen sich an" - hier sollen Unterschiede für eine Beziehung förderlich sein.
Durchsuchen von Profilen wenig hilfreich
Nach Meinung von Wissenschaftler Finkel kann eine mathematische Formel jedoch kaum zwei Singles zu einer langfristigen Liebesbeziehung zusammenbringen. Der Psychologe bestreitet nicht, dass es Methoden gibt, den dauerhaften Erfolg von Beziehungen vorherzusagen. Das Hauptproblem der Anbieter sei jedoch, dass sie nicht über die dafür nötigen Informationen verfügten. Beispielsweise hätten Studien gezeigt, dass in erster Linie die Art, wie zwei Menschen miteinander diskutieren und Meinungsverschiedenheiten lösen, entscheidend sei, wenn man die Zufriedenheit einer Beziehung prognostizieren will.
Die Forscher halten vor allem das Durchsuchen von Datensätzen am Computer für untauglich, um den passenden Partner zu finden. Die meisten Dating-Seiten würden Singles mit einer großen Anzahl von passenden Profilen regelrecht überschütten, schreiben sie in ihrer Arbeit. "Es ist schwer, aus den Profilen viel über die potentiellen Partner zu erfahren." Die Datensätze erlaubten kaum Rückschlüsse darauf, welche Partner tatsächlich vielversprechend seien. Beim Durchblättern der Profile würden Interessenten oft Merkmale überbewerten, die für den Erfolg einer Partnerschaft jedoch irrelevant seien.
Wenn es um Liebe geht, glauben viele Menschen an göttliche Fügung. Der Mann oder die Frau fürs Leben wird einem schon irgendwann über den Weg laufen - und wenn das passiert, dann wird man das gewiss merken. Doch nicht immer taucht der Traumpartner einfach so aus dem Nichts auf - Online-Partnerbörsen versprechen da Abhilfe. Sie betreiben die Suche nach dem Märchenprinzen ganz ähnlich wie ein Immobilienmakler die Fahndung nach der Traumwohnung. Man benötigt nur genügend Eckdaten (Interessen, Vorlieben, Wünsche an den potentiellen Partner) - und bringt die Suchenden dann per Matching-Algorithmus zusammen.
Anbieter wie Parship.de oder Match.com berufen sich dabei ausdrücklich auf wissenschaftlich fundierte Partnervorschläge. "Als Paarforscher wissen wir, wie glückliche Partnerschaften entstehen", schreibt beispielsweise Parship auf seiner Web-Seite und verspricht eine Partnerschaft, die auch längerfristig "inspirierend und lebendig bleibt".
Doch nun stellen zwei amerikanische Psychologen die Matching-Algorithmen der Dating-Seiten in Frage. Diese könnten kaum den Erfolg eine Beziehung vorhersagen, schreiben Eli Finkel von der Northwestern University und seine Kollegen in einer vorab veröffentlichten Studie im Fachblatt "Psychological Science in the Public Interest".
Es gibt Dutzende Dating-Seiten in Deutschland. Viele große Web-Seiten, auch SPIEGEL ONLINE, haben eine oder mehrere Börsen als Partner. Bei praktisch allen Anbietern müssen Singles zunächst einen umfangreichen Fragenkatalog abarbeiten. Aus den Antworten ermitteln die Betreiber dann ein Persönlichkeitsprofil, das Basis der Vermittlung ist. Der Anbieter eDarling.de nutzt dabei Big Five, ein aus fünf Komponenten bestehendes Persönlichkeitsmodell. Die meisten Dating-Seiten bringen bei vielen dieser Kriterien und Unterkriterien nur Personen zusammen, die einander ähneln. Bei einzelnen Merkmalen gilt jedoch auch "Gegensätze ziehen sich an" - hier sollen Unterschiede für eine Beziehung förderlich sein.
Durchsuchen von Profilen wenig hilfreich
Nach Meinung von Wissenschaftler Finkel kann eine mathematische Formel jedoch kaum zwei Singles zu einer langfristigen Liebesbeziehung zusammenbringen. Der Psychologe bestreitet nicht, dass es Methoden gibt, den dauerhaften Erfolg von Beziehungen vorherzusagen. Das Hauptproblem der Anbieter sei jedoch, dass sie nicht über die dafür nötigen Informationen verfügten. Beispielsweise hätten Studien gezeigt, dass in erster Linie die Art, wie zwei Menschen miteinander diskutieren und Meinungsverschiedenheiten lösen, entscheidend sei, wenn man die Zufriedenheit einer Beziehung prognostizieren will.
Die Forscher halten vor allem das Durchsuchen von Datensätzen am Computer für untauglich, um den passenden Partner zu finden. Die meisten Dating-Seiten würden Singles mit einer großen Anzahl von passenden Profilen regelrecht überschütten, schreiben sie in ihrer Arbeit. "Es ist schwer, aus den Profilen viel über die potentiellen Partner zu erfahren." Die Datensätze erlaubten kaum Rückschlüsse darauf, welche Partner tatsächlich vielversprechend seien. Beim Durchblättern der Profile würden Interessenten oft Merkmale überbewerten, die für den Erfolg einer Partnerschaft jedoch irrelevant seien.
Einer der Hauptkritikpunkte von Finkel und seinen Kollegen ist der fehlende Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Beim Ausfüllen von Fragebögen oder in E-Mails werde zu oft beschönigt oder geschummelt - beim direkten Kontakt zweier Menschen und selbst bei Telefonaten geschehe dies seltener.
Algorithmus-basierte Dating-Seiten könnten erfolgreicher sein, wenn sie sich die Erkenntnisse der Beziehungsforschung zu eigen machen", erklärte Finkel in einer E-Mail an SPIEGEL ONLINE. Der Psychologe von der Northwestern University in Evanston schlägt beispielsweise Speed-Dating via Webcam vor. Das Feedback der Teilnehmer müsste dann in die Matching-Vorschläge einfließen. "Das würde ganz sicher die Fähigkeit der Algorithmen verbessern, jene Paare zu finden, die am besten zusammenpassen."
Wenn es um Liebe geht, glauben viele Menschen an göttliche Fügung. Der Mann oder die Frau fürs Leben wird einem schon irgendwann über den Weg laufen - und wenn das passiert, dann wird man das gewiss merken. Doch nicht immer taucht der Traumpartner einfach so aus dem Nichts auf - Online-Partnerbörsen versprechen da Abhilfe. Sie betreiben die Suche nach dem Märchenprinzen ganz ähnlich wie ein Immobilienmakler die Fahndung nach der Traumwohnung. Man benötigt nur genügend Eckdaten (Interessen, Vorlieben, Wünsche an den potentiellen Partner) - und bringt die Suchenden dann per Matching-Algorithmus zusammen.
Anbieter wie Parship.de oder Match.com berufen sich dabei ausdrücklich auf wissenschaftlich fundierte Partnervorschläge. "Als Paarforscher wissen wir, wie glückliche Partnerschaften entstehen", schreibt beispielsweise Parship auf seiner Web-Seite und verspricht eine Partnerschaft, die auch längerfristig "inspirierend und lebendig bleibt".
Doch nun stellen zwei amerikanische Psychologen die Matching-Algorithmen der Dating-Seiten in Frage. Diese könnten kaum den Erfolg eine Beziehung vorhersagen, schreiben Eli Finkel von der Northwestern University und seine Kollegen in einer vorab veröffentlichten Studie im Fachblatt "Psychological Science in the Public Interest".
Es gibt Dutzende Dating-Seiten in Deutschland. Viele große Web-Seiten, auch SPIEGEL ONLINE, haben eine oder mehrere Börsen als Partner. Bei praktisch allen Anbietern müssen Singles zunächst einen umfangreichen Fragenkatalog abarbeiten. Aus den Antworten ermitteln die Betreiber dann ein Persönlichkeitsprofil, das Basis der Vermittlung ist. Der Anbieter eDarling.de nutzt dabei Big Five, ein aus fünf Komponenten bestehendes Persönlichkeitsmodell. Die meisten Dating-Seiten bringen bei vielen dieser Kriterien und Unterkriterien nur Personen zusammen, die einander ähneln. Bei einzelnen Merkmalen gilt jedoch auch "Gegensätze ziehen sich an" - hier sollen Unterschiede für eine Beziehung förderlich sein.
Durchsuchen von Profilen wenig hilfreich
Nach Meinung von Wissenschaftler Finkel kann eine mathematische Formel jedoch kaum zwei Singles zu einer langfristigen Liebesbeziehung zusammenbringen. Der Psychologe bestreitet nicht, dass es Methoden gibt, den dauerhaften Erfolg von Beziehungen vorherzusagen. Das Hauptproblem der Anbieter sei jedoch, dass sie nicht über die dafür nötigen Informationen verfügten. Beispielsweise hätten Studien gezeigt, dass in erster Linie die Art, wie zwei Menschen miteinander diskutieren und Meinungsverschiedenheiten lösen, entscheidend sei, wenn man die Zufriedenheit einer Beziehung prognostizieren will.
Die Forscher halten vor allem das Durchsuchen von Datensätzen am Computer für untauglich, um den passenden Partner zu finden. Die meisten Dating-Seiten würden Singles mit einer großen Anzahl von passenden Profilen regelrecht überschütten, schreiben sie in ihrer Arbeit. "Es ist schwer, aus den Profilen viel über die potentiellen Partner zu erfahren." Die Datensätze erlaubten kaum Rückschlüsse darauf, welche Partner tatsächlich vielversprechend seien. Beim Durchblättern der Profile würden Interessenten oft Merkmale überbewerten, die für den Erfolg einer Partnerschaft jedoch irrelevant seien.
Einer der Hauptkritikpunkte von Finkel und seinen Kollegen ist der fehlende Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Beim Ausfüllen von Fragebögen oder in E-Mails werde zu oft beschönigt oder geschummelt - beim direkten Kontakt zweier Menschen und selbst bei Telefonaten geschehe dies seltener.
"Algorithmus-basierte Dating-Seiten könnten erfolgreicher sein, wenn sie sich die Erkenntnisse der Beziehungsforschung zu eigen machen", erklärte Finkel in einer E-Mail an SPIEGEL ONLINE. Der Psychologe von der Northwestern University in Evanston schlägt beispielsweise Speed-Dating via Webcam vor. Das Feedback der Teilnehmer müsste dann in die Matching-Vorschläge einfließen. "Das würde ganz sicher die Fähigkeit der Algorithmen verbessern, jene Paare zu finden, die am besten zusammenpassen."
Erfolg des Matchings unklar
Von den verwendeten Matching-Algorithmen halten die Forscher wenig. Zum einen würden diese von den Anbietern als Geschäftsgeheimnis betrachtet und nicht publik gemacht. Die freilich trotzdem bekannten allgemeinen Prinzipien dahinter seien nicht geeignet, um die Dauerhaftigkeit einer Beziehung vorherzusagen. Die dazu publizierten Forschungsergebnisse seien widersprüchlich. "Es bleibt unklar, ob der Grad der Ähnlichkeit bei einem Paar etwas damit zu tun hat, wie erfolgreich eine Beziehung im Laufe der Zeit ist", sagt Finkel.
Der deutsche Anbieter Parship räumt ein, dass der Erfolg einer Beziehung im starken Maße auch von verschiedenen äußeren Einflüssen wie Jobverlust abhängig und damit schwer vorhersagbar ist. "Generell ist Partnerschaftserfolg schwierig zu messen", sagte Sprecherin Doreen Schlicht SPIEGEL ONLINE. "Hier besteht Forschungsbedarf."
Den Vorwurf, unwissenschaftlich zu arbeiten, weist die Parship-Sprecherin jedoch zurück: Das Unternehmen nutze verhaltenstheoretisch orientierte Ansätze, aber auch gestalttheoretische und psychoanalytische Theorien über Persönlichkeitseigenschaften. Parship habe im letzten Jahr erstmalig Paare befragt und die Ergebnisse dieser Befragung auf Tagungen vorgestellt, sagte Schlicht. "Da wir keine universitäre Einrichtung sind, sind für uns wissenschaftliche Publikationen in Fachzeitschriften nicht verpflichtend."
Donnerstag, 4. April 2013
LEBEN - BEZIEHUNGEN SIND WIE EIN HÜHNERSTALL
Interview: Jonas Schocher. Aktualisiert am 29.07.2010
Paartherapeut Klaus Heer erklärt im Interview, wie Schweizer im Zeitalter des Internets lieben, warum sie nie mit ihrer Beziehung zufrieden sind. Und ob wir tatsächlich wieder konservativer werden.
Welchen Einfluss hat das Internet auf unser Beziehungsleben?
Das Internet hat vor allem neue Methoden geschaffen, wie man sich kennen lernen kann. Dabei ist der grosse Vorteil, dass das Aussehen nicht mehr das einzige Auswahlkriterium darstellt. Das kann viel angenehmer und fruchtbarer sein, als in eine Bar zu hocken und sich anzustarren. Wer sich gut ausdrücken kann und offen ist – auch in Herzensdingen – hat viel mehr Chancen. Das ist spielerisch und kreativ.
Wo liegen die Gefahren?
Richtig gefährlich wirds eigentlich erst, wenn man ein Paar ist. Die neuen Medien, vor allem die sozialen Netzwerke und die gigantische Flut von Internet-Pornografie, setzen uns einer Unzahl von Versuchungen aus. Neue Kontakte aller Art locken allenthalben. In den Chatrooms sind die Übergänge zwischen banalem Gespräch und heissem Flirt fliessend. Fast unbemerkt kann sich ein Austausch erotisch und sexuell färben, und es wird schnell unklar, ob das jetzt nicht bereits Fremdgehen ist.
Sind heutige Paare eher aufgeschlossen oder konservativ?
In den heutigen Beziehungsmodellen sind Treue und Ehrlichkeit nach wie vor erstrangige Bestandteile. Man möchte sich in der Beziehung daheim und geborgen fühlen wie in einem Kokon. Doch sobald man länger in dem Kokon drin ist, ist man bald einmal überfordert und hat Sehnsucht nach etwas anderem. Beziehungen sind wie ein Hühnerstall. Wer draussen ist, will rein, und wer drin ist, will raus. Der Mensch ist eben ein Sehnsuchtswesen.
Wie geht das denn, sich in den eigenen Partner neu verlieben?
Kein Mensch kann Gefühle, die weg sind, erfolgreich zurückwünschen. Es macht ja auch wenig Sinn, im Hochsommer dem zurückliegenden wunderbaren Frühling nachzutrauern. Weil man nämlich damit die pralle Fülle des Sommers verpasst. Wenn nun die intensive Zeit des Liebesfestes zu Ende geht, entsteht eine ganz neue Intensität: der Kater, die Ausnüchterung. Die Enttäuschung über den anderen, über die Beziehung, über sich selbst. Diese Enttäuschung unerschrocken anzuschauen, kann ein aufregendes Erlebnis sein: Sie macht deutlich, wo meine Täuschung war. Und das kann ein neues, fruchtbares und schmerzliches Thema zwischen den beiden Liebenden werden.
Was ist denn die Standardlösung?
Die einfachere Methode ist die Personalrotation. Man kann sich sagen, alle zwei Jahre lege ich mir eine neue Beziehung zu. Doch das geht nicht endlos. Jeder merkt mit der Zeit, dass sich das Ganze ständig wiederholt. Es kann sich hohl und traurig anfühlen. Es ist ja auch kein besonders erhebender Anblick, wenn man eine Spur von Verflossenen hinter sich herzieht. Mit der Zeit beginnt man an sich selber zu zweifeln, nicht nur am anderen Geschlecht. Man fängt an, sich die richtigen Fragen zu stellen: Bin ich der richtige Partner für jemanden? Anstatt: Wer ist der richtige Partner für mich?
Sie haben geschrieben, dass die Rolle der Frau in der Partnerschaft eine neue ist. Inwiefern?
Die Frau lässt heute nicht mehr alles mit sich machen, was sie während Tausenden von Jahren mit sich machen liess. Die Männer können nicht einfach daran vorbeischauen. In der Enge des eigenen Heims werden sie unausweichlich damit konfrontiert. Viele von ihnen sind ratlos. Wie lebt man mit einer Frau, die man liebt, auf gleicher Augenhöhe? Das ist in allen Bereichen schwer. Am anspruchsvollsten ist es wohl in der Sexualität. Dort sind die Differenzen zwischen zwei Menschen viel grösser, als wir es in unseren Sehnsüchten wahrhaben wollen. Wir sind uns viel fremder, als uns lieb ist.
Manche Stimmen fordern darum eine Rückkehr zu konservativen Rollenmustern. Gibt es diesen Backlash in der Realität?
Ich bekomme das nicht wirklich mit. Ich habe es zum Beispiel mit vielen Patchwork-Familien zu tun. Das ist doch nicht konservativ. Das sind neue Wege und neue Ideen, mit denen ich konfrontiert werde: Leute, die etwas ausprobieren und merken: Es ist anspruchsvoll! Gerade wenn Kinder beteiligt sind. Kinder, die mit den neuen Partnern nicht auskommen, neue Partner, die mit den Kindern Mühe haben. Das sind grosse Herausforderungen.
Ist das Paar- und Familienleben allgemein anspruchsvoller geworden?
Ja, auch das berufliche Leben meiner Klienten. Das ist enorm. Die Leute haben einfach keine Zeit füreinander
Samstag, 30. März 2013
PHILOSOPHIE - FLEISCHKONSUM
Grosse Fragen: Tiere essen
Ist der Konsum von Fleisch ethisch zu rechtfertigen? Nur in sehr engen Grenzen, wie Ethiker Jean-Claude Wolf kurz und knapp erklärt.
Grosse Fragen: Tiere essen
Ist der Konsum von Fleisch ethisch zu rechtfertigen? Nur in sehr engen Grenzen, wie Ethiker Jean-Claude Wolf kurz und knapp erklärt.
Der Fleischkonsum ist moralisch problematisch, weil wir leider meistens nicht hinreichend kontrollieren können, wie Tiere gehalten und getötet wurden. Darüber hinaus ist der Fleischkonsum eine Vergeudung von Ressourcen, die wir – anstatt sie an Tiere zu verfüttern – selber essen könnten. Es ist demnach ein moralisches Gebot, den Fleischkonsum zu reduzieren.
Der australische Philosoph Peter Singer hat bereits in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts einige der wichtigsten Argumente für einen konditionalen Vegetarismus zusammengetragen, das heisst für einen Vegetarismus unter den Bedingungen der modernen industriellen Fleischproduktion, unter den Bedingungen ausreichender Nahrungsalternativen – wir sind nicht auf den Verzehr von (viel) Fleisch angewiesen – und unter den Bedingungen, dass wir die Haltung einzelner Tiere nicht selber kontrollieren können. Ich glaube, dass damit im Wesentlichen alles gesagt ist.
POLITIK -WIR HABEN EINE KRISE DER VERNUNFT
Frank Schirrmacher gehört zu den wichtigsten deutschen Vordenkern. Er sagt, die Wirtschaftskrise habe zu einem Zustand der Dauerbedrohung geführt. Trotzdem hat er Hoffnung.
Herr Schirrmacher, Sie schreiben, die Eurokrise sei nicht ein vorübergehendes Problem. Es gehe um mehr. Um was geht es?
Die Krise ist Ausdruck von etwas sehr Grundsätzlichem. In der Zeit davor wurde die Wirtschaftswissenschaft als positive Wissenschaft verkauft, als rationales System. Dann kam die Krise, und es wurde immer deutlicher: Diese ist längst nicht mehr nur eine Krise der Wirtschaft, sondern eine Krise der Rationalität. Wir haben eine Krise der Vernunft. Es ist so, als merkten wir plötzlich, dass das System der Physik nicht mehr funktioniert. Dass uns die Antwort auf die Frage schwerfällt, was moralisch ist und was nicht – das ist nicht unser grösstes Problem. Gravierender ist, dass wir nicht mehr wissen, was vernünftig ist und was nicht. Es war nicht irgendein Feuilletonist, der vor dem amerikanischen Kongress gesagt hat: «Das gesamte Denkgebäude ist zusammengebrochen.» Das war immerhin Alan Greenspan.
Wir leben in der Epoche des grossen Zusammenbruchs?
Wir leben heute ständig in einer Situation der absoluten Drohung: Es droht das Ende des Euro; es droht der Kollaps des Finanzsektors. Das hat es – wenn man an die 80er- oder 90er-Jahre denkt – in dieser Frequenz nie gegeben.
Mit welchen Folgen?
Dieses Denken produziert einen Satz, den wir alle kennen: «Es gibt keine Alternative.» Das bedeutet eine weitere Radikalisierung. Es ist kein Zufall, dass wir seit Ausbruch der Krise eine Inflation von Nuklearmetaphern haben, von der «finanziellen Kernschmelze» bis zu den «Massenvernichtungswaffen der Börsen». Da kommen wir schnell zum Modell des Kalten Krieges.
Wir leben in einer Neuauflage des Kalten Krieges?
Im Kalten Krieg gab es erstmals in der Weltgeschichte eine absolute Bedrohung. Mit dieser Bedrohung war das Wissen verbunden: Zwar können wir den Gegner vernichten, doch er hat immer noch die Möglichkeit, uns auch zu vernichten. Sieht man sich nun die internen E-Mails der Investmentbank Lehman an, so erinnern diese stark an die Denkbilder des Kalten Krieges. Die Banker dachten: «Uns kann gar nichts passieren, weil, wenn uns was passiert, werden die anderen ja auch vernichtet.» Auch bei der Griechenland- und Zypernrettung stand die absolute Drohung im Raum. Da kommt dann die Botschaft aus Brüssel: «Wenn Ihr nicht kooperiert, gehen wir alle unter.» Solche Konstellationen sind auch deshalb problematisch, weil sie die Demokratie schwächen.
Warum?
Die Eurokrise ist mit einer massiven Entdemokratisierung und einem erheblichen Souveränitätsverlust verbunden. Bei uns in Deutschland musste mehrmals das Bundesverfassungsgericht einschreiten und dafür sorgen, dass das Parlament nicht übergangen wird. Oder denken Sie an die negativen Reaktionen auf den Vorschlag des früheren griechischen Ministerpräsidenten, der sein Volk über das Eurorettungspaket abstimmen lassen wollte.
Die Schweizer haben allerdings vor kurzem per Volksabstimmung Massnahmen gegen die Abzockerei beschlossen.
Das widerspricht meinen Ausführungen nicht.
Ein demokratischer, rationaler Aufstand gegen die Wirtschaftselite ist doch exakt die Antithese zu dem, was Sie sagen. Sie sprechen von einer Gesellschaft, die erstens in einer tiefen Krise der Rationalität steckt und die zweitens aus einem Heer von Egoisten besteht.
Ich sehe keinen Widerspruch. Es wäre ja schlimm, wenn das, was ich beschreibe, der Endpunkt wäre. Eine Gesellschaft funktioniert dialektisch, sie lernt dazu. Und reagiert folglich allergisch, wenn die Managergehälter ins Absurde steigen. Ich begrüsse die Debatte in der Schweiz sehr, weil sie wegführt von der rein moralischen Diskussion, mit der wir jetzt viele Jahre vergeudet haben.
Das müssen Sie uns erklären.
Es ist immer cool zu sagen: «Die verdienen zu viel, guckt euch diese Schweine an.» Aber gebracht hat diese emotionale Stigmatisierung überhaupt nichts. Die Reaktion in der Schweiz ist anders, nämlich ganz rational. Und sie steht nicht im Widerspruch zu meiner These, sondern zeigt den nächsten Schritt. Wir erleben überall, dass durch die Krise der Rationalität Überzeugungen, die bisher galten, infrage gestellt werden – und neue Überzeugungen an Kraft gewinnen.
Für Sie ist die Abstimmung in der Schweiz ein Hoffnungsschimmer – ein Indiz, dass die Krise der Vernunft überwindbar sein könnte?
Ja, man muss aber berücksichtigen: In der Schweiz haben Plebiszite Tradition, bei uns in Deutschland nicht. Und sie wären hier ein riskanter Weg. Man weiss nicht, was herauskäme, wenn wir über den Euro abstimmen würden. Mir würde es schon reichen, wenn das Parlament stärker mitreden könnte. Aber ich will noch etwas zum Recht sagen.
Bitte.
Im Neoliberalismus interessiert vor allem eines: die Präferenz des Menschen: Will er heute ein Eis? Und was will er morgen? Das Ziel ist, Präferenzen zu schaffen, Präferenzen vorauszuahnen und Präferenzen zu befriedigen. Wenn man aber sagt: Alles, was zählt, ist die Präferenz – dann wird es gefährlich. Dann droht, dass man das Recht relativiert, wenn es nicht zu den Präferenzen gehört. Dabei ist ganz wichtig, dass bestimmte Rechtsgüter – Gleichberechtigung, Selbstbestimmung ... – unangefochten gelten, selbst wenn sie niemand will. Die Eurokrise hat uns da auf einen heiklen Weg geführt. Da mache ich auch der Bundesregierung Vorwürfe. Diese merkwürdige, überschüssige Reaktion auf die Schweiz, zeigt doch auch: Wenn Sie selber den moralischen Boden verloren haben, müssen Sie jemand anders noch amoralischer machen.
Sie haben Frau Merkel als oberste Spieltheoretikerin des Landes bezeichnet. Wie meinen Sie das?
Die Physikerin hat ein paar spieltheoretische Prinzipien verinnerlicht. Erstens: Denke vom anderen immer, dass er dich über den Tisch ziehen will. Zweitens: Rede nicht, lege dich nicht fest. Und drittens: Das ganze Spiel kannst du nur mit Bluffs spielen.
Immerhin hat sie Deutschland bisher einigermassen unbeschadet durch die Eurokrise gesteuert. Wenn Sie auf den Chip in der Mitte des Pokertisches schauen, sieht es für Merkel nicht schlecht aus. Das System ist stabil, wir Deutschen haben zwar viel Geld aufgeworfen, sind dafür aber nicht pleitegegangen. Aus einer anderen Perspektive betrachtet, sieht man allerdings: Der Preis für Merkels Strategie ist riesig. Deutschland zahlt und zahlt und zahlt – und wird gehasst. Wir werden wieder als Nazis beschimpft.
Wie kommt das?
Diese Paradoxie ist nur dadurch zu erklären, dass man nicht die Wahrheit sagt. Aus Rücksicht auf ihre eigenen Wähler versäumt es Merkel zu sagen, was das Ganze für einen Zweck hat. Richtig wäre aus meiner Sicht: ehrlich sein und eine Utopie entwickeln. Die Kanzlerin könnte sagen: «Das Geld ist zwar weg, aber dafür bekommen wir etwas: ein starkes Europa.»
Sie sehen die Welt im Zeitalter des Ökonomismus, wo das Ego-Interesse über allem anderen steht. Das heisst, die Menschen heute sind schlechter, als sie früher waren?
Nein, das sind sie nicht. Nach wie vor besitzen die Menschen Intuition – diese sagt ihnen, was gut ist und was nicht. Ich würde nie behaupten, in der heutigen Gesellschaft gebe es mehr Egoismus. Aber wir haben eine Gesellschaft mit einem neuen Imperativ. Und der heisst: Es ist vernünftig, egoistisch zu sein. Es ist etwas völlig anderes, ob Sie sagen: Wir sind Egoisten. Oder ob sie als Maxime ausgeben: Es ist rational, egoistisch zu sein. Eine solche Maxime ist philosophiegeschichtlich eine Zäsur, weil wir in Europa doch stark von Immanuel Kant und seinem Satz geprägt sind: «Handle stets so, dass dein Handeln zur Gesetzgebung für alle werden könnte.»
Der neue Leitsatz stammt von Thomas Hobbes ...
... ja: «Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.» Aus Studien wissen wir: Wenn in einer Gesellschaft egoistisches Verhalten als vernünftig erklärt wird, wird es beim Menschen geradezu erweckt. Das Modell des «homo oeconomicus» produziert Soziopathen. Es wird heute von den Menschen ein Verhalten verlangt, das sie selber nicht gut finden.
Dann sind die Menschen also doch schlechter geworden.
Nein, solange sie merken, was vor sich geht, werden sie nicht schlechter. Das Schweizer Plebiszit gegen zu hohe Managerlöhne belegt dies: Die Leute haben realisiert, dass es so nicht weitergehen kann – und haben gehandelt. Der Mensch ist vielschichtiger, als das Modell sagt. Das Problem ist, dass wir immer stärker Systemen ausgesetzt sind, die den Menschen auf einen Automaten reduzieren – auf seine Präferenzen.
Was schlagen Sie vor?
Man muss den Menschen vermitteln, dass sie ihre Intuition ernst nehmen. Das Problem ist ja nicht, dass wir zu grosse Risiken eingehen. Das Problem ist, dass wir alles risikolos machen wollen. Darum sind wir ja so versessen auf die angeblich superpräzisen Modelle der Statistiker. Zur Finanzkrise ist es nicht gekommen, weil Vorkehrungen zur Risikoabwehr gefehlt hätten. Im Gegenteil, solche gab es in Fülle. Der Fehler war, dass man ihnen blind vertraut und nicht auf die Intuition gehört hat.
Wir müssen lernen, bewusst Risiken einzugehen und zu tragen?
Ja, und dazu gehören Transparenz, Ehrlichkeit und Selbstvertrauen. Unsere Aufgabe ist, unsere Prägung zu verlernen. Nichts gegen den Konsum, den Markt oder das Internet – solange wir davon nicht gesteuert werden.
Sonntag, 10. März 2013
WISSEN - DIE 12 REGELN EINER GLÜCKLICHEN BEZIEHUNG
Kann man voraussagen, ob die Liebe dem Alltag standhält? Nicht unbedingt. Aber es gibt laut Studien Eigenschaften, die Langzeitpaare teilen. Testen Sie Ihr Liebesverfallsdatum.
Die Liebe – sie ist vielleicht das am meisten studierte und am wenigsten verstandene Objekt der psychologischen Forschung. Gerade weil sie sich dem Labor und der Statistik komplett entzieht. Nun hat Daniel O'Leary mit seinem Team versucht, die Liebe unter Liebenden zu studieren. Genauer gesagt: Er hat Paare, die seit über zehn Jahren verheiratet oder zusammen sind und sich als glücklich bezeichnen, auf Herz und Nieren überprüft. Und siehe da: Langzeitehen können alles andere als kühl und leidenschaftslos sein. Immerhin gaben 40 Prozent der Befragten an, dass sie noch immer in ihre Partner verliebt seien und sich das auch im Bett recht häufig zeigten.
Daraufhin haben die Forscher versucht herauszufinden, was denn Paare gemeinsam haben, die bereits seit 30 Jahren zusammen sind und angaben, sehr glücklich zu sein. Wer nun erwartet, dass eine lange Liste kommt, die von Nähe, Kommunikation und Leidenschaft zeugt, hat nicht unrecht. Doch die Prise Pragmatismus ist nicht zu unterschätzen.
Testen Sie also ihre Beziehung:
1. Positiv über den Partner denken. Langzeitpaare streiten sich auch – aber sie zählen, fragt man sie, mehr positive als negative Eigenschaften über den Partner auf. Sie haben gelernt, ihren Partner zu ertragen, und das Gedächtnis darauf konditioniert, schlechte Erinnerungen zu verstecken, gute hingegen jederzeit abrufbar zu speichern.
2. In der Ferne die Nähe suchen. Nach 30 Jahren Ehe will man nicht mehr dauernd aufeinander hocken. Doch offenbar denken Langzeitpaare regelmässig an den Partner, wenn sie von ihm getrennt sind. (Lesen Sie auch: «Lust auf Distanz»)
3. Kein Multitasking beim Paarprobleme wälzen. Wer einen Streit mit dem Partner einfach schnell wegstecken und zur Tagesordnung übergehen kann, zeigt nicht das Verhalten, das Langzeitpaare zu Protokoll gegeben haben. Multitasking hört bei ihnen spätestens dann auf, wenn sie intensiv an den Geliebten denken.
4. Gemeinsame und neue Hobbys. Klar doch, Paare, die sich mögen, verbringen viel Zeit miteinander. Doch offenbar profitiert die Langzeitliebe vorab, wenn ein Paar gemeinsam eine neue Leidenschaft entdeckt. Vorzugsweise eine, die komplizierter ist als Kaffeerahmdeckeli sammeln.
5. Zeit gemeinsam verbringen. Zeit lässt die Liebe wachsen. Zumindest dann, wenn sie oft gemeinsam verbracht wird. Und dabei zählt nicht nur die Freizeit, sondern auch die Pflicht. Langzeitpaare verbringen nachweisbar mehr Zeit beim gemeinsamen Haushalten, Kochen, Putzen, Gärtnern als Lebensabschnittspaare.
6. Die Liebe benennen. Fühlen ist gut und recht. Kommunizieren ist besser. Typische Ausdauerliebende sagen sich regelmässig, dass sie sich lieben. Mit Worten und mit Gesten. Das muss nicht immer der elaborierte Liebesbrief oder ein Kamasutra-Ausdauertraining sein. Ein Kuss, eine kleine Notiz auf dem Tisch genügen. (Lesen Sie auch: «Was Frauen an Männern lieben»)
7. Begehren zeigen und leben. Ja – ohne wirds schwierig. Zumindest wer Jahrzehnte aushalten will, sollte seinen Partner begehren, sich von ihm körperlich angezogen fühlen und das auch zeigen. Wer beim Küssen ans Abendessenkochen denkt, sollte mal in sich gehen.
8. Sex haben, regelmässig. Die Anziehung ist nicht immer gleich gross. Und selbst wer eben beim Küssen auch mal an den Brokkoli im Kühlschrank denkt, ist kein Single-Kandidat. Sex kann man auch mal haben, wenn die Lust gar nicht oder noch nicht da ist. Die O'Leary-Studie jedenfalls zeigt, dass Langzeitliebende öfter Sex haben und regelmässiger Sex haben als andere Pärchen. Erforscht ist übrigens auch, dass wer mehr Sex hat auch mehr Sex will. Für einmal ist das mit dem Huhn und dem Ei völlig egal.
9. Glücklich sein. Glückliche Menschen sind die besseren Liebhaber. Mehr gibts dazu nicht zu sagen.
10. Kontrolle: Ja, Sie haben richtig gelesen – wer wissen will, mit wem sich der Partner trifft, hat grössere Chancen, den Partner auch zu behalten. Liebende haben nun mal Ähnlichkeiten mit Stalkern. Vor allem wenn sie männlichen Geschlechts sind.
11. Obsession. Frauen hingegen, wenn sie in langen Beziehungen glücklich werden wollen, sollten sich ein kleines bisschen Obsessivität nicht verdenken. Offenbar sind erfolgreiche Langzeitliebhaberinnen in Gedanken nie weit von ihrem Partner entfernt. (Lesen Sie auch: «Das Buch, das Frauen fesselt»)
12. Leidenschaft. Nein – da ist nicht in erster Linie die horizontale Leidenschaft gemeint, sondern die alltägliche. Menschen, die ihre Emotionen nicht homöopathisch dosieren in ihrem Leben, geben die besseren Langzeitliebhaber ab. Wer sich also so richtig aufregen kann oder gerne lacht, wer sich reinknien will und wer immer ein bisschen auf der Suche nach dem nächsten Kick ist, hat gute Voraussetzungen mit seinem Partner alt zu werden.
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