Freitag, 26. April 2013

AKTUELL - NO SMOKERS!!!!!




Von David Hesse, Washington.
Unternehmen in den USA stellen vermehrt nur noch Nichtraucher ein. Nun diskutieren Wissenschaftler, ob dies legal, ethisch vertretbar und medizinisch sinnvoll ist.

Raucher brauchen sich gar nicht erst zu bewerben. Die Spitäler und Forschungszentren der University of Pennsylvania haben beschlossen, ab Juli nur noch Nichtraucher einzustellen. Diese «NonNicotine Hiring Policy» soll laut einer Mitteilung der Unternehmensleitung die «Gesamtgesundheit» der rund 16 000 Beschäftigten verbessern sowie die Krankenversicherungskosten im Betrieb senken. Bereits angestellte Raucherinnen und Raucher werden nicht entlassen, müssen allerdings mit höheren Versicherungsprämien rechnen, wenn sie keine Entwöhnungstherapie in Anspruch nehmen.

Es sind harte Zeiten für Tabakfreunde in den USA. Nachdem das Rauchen an praktisch allen Arbeitsplätzen verboten worden ist, beginnen immer mehr Firmen, ihren Angestellten die Zigarette und die Pfeife auch im Freien und daheim zu verbieten. Vor allem Spitäler und Gesundheitsdienstleister, aber auch Betriebe wie die Alaska Airlines oder der Pflanzenschutzmittel-Hersteller Scotts Miracle-Gro verlangen von ihren Belegschaften den totalen Rauchverzicht. Offene Stellen schreiben sie explizit mit dem Vermerk «Nur Nichtraucher» aus. Zur Durchsetzung des Verbots führen manche Firmen regelmässige Urintests durch, andere verlassen sich auf das Ehrenwort der Angestellten.

Gerechtigkeit als Argument
Begründet wird der Raucherausschluss vor allem wirtschaftlich: Laut einer 2009 im «Journal of Tobacco Policy & Research» erschienenen Studie fehlen Raucher öfter krankheitshalber am Arbeitsplatz als ihre nicht rauchenden Kollegen. Und selbst relativ gesunde Tabakkonsumenten verursachen in einem Zeitraum von drei Jahren gemäss Studie höhere Gesundheitskosten als Nichtraucher. Die US-Regierung geht davon aus, dass jeder rauchende Arbeitnehmer betriebliche Mehrkosten von 4000 Dollar pro Jahr verursacht. Wer also eine Belegschaft von Nichtrauchern beschäftigt, müsste unter dem Strich produktiver und kostengünstiger sein. Langzeitstudien gibt es hierzu allerdings noch nicht. Nichtraucherbetriebe sind ein junges Phänomen.
Nicht wenige Arbeitgeber argumentieren überdies mit der Gerechtigkeit: «Wir fanden es unfair, dass jene Angestellten, die einen gesunden Lebenswandel pflegen, ihre ungesunden Kollegen subventionieren mussten», äusserte sich etwa Steven Bjelich, der Chef des seit kurzem raucherfreien St. Francis Medical Center in Cape Girardeau, Missouri. Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern müssen in den USA risikogepoolte Krankenversicherungen haben. Wer also keine Raucher einstellt, muss für deren Erkrankungen keine Nichtraucher mehr bezahlen lassen.

Blick in die Zukunft
Spätestens hier aber stellt sich die Frage, weshalb von allen ungesund lebenden Arbeitnehmern nur die Raucherinnen und Raucher ins Visier genommen werden. Schliesslich belasten auch andere ihre Kollegen mit willentlicher Selbstschädigung. Müssten nicht auch Alkoholkonsum, Fettleibigkeit und der Hang zu Risikosport bestraft werden?
John Mackey, der Gründer der teuren Bio-Supermarktkette Whole Foods, lässt erahnen, wie die Zukunft aussehen könnte. Er gewährt seinen Angestellten unterschiedlich hohe Rabatte auf Selbsteinkäufe im Supermarkt – je nach deren Blutdruckwerten, Body-Mass-Index und Rauchgewohnheiten. Wo immer es rechtlich möglich ist, stellt auch Whole Foods keine Raucher mehr ein.
Vorgehen ist in Ordnung
Grundsätzlich ist das Nichteinstellen von Tabakkonsumenten legal. Die US-Verfassung schützt die Raucher nicht als Minderheit, also können Raucher auch nicht diskriminiert werden. Anders als Übergewichtige, die aufgrund der Gesetze zum Schutz der Behinderten nicht aufgrund ihrer Leibesfülle gegängelt oder entlassen werden dürfen, können Raucher nach Belieben geschasst oder eben nicht engagiert werden. «Wir sprechen keinem Raucher das Recht auf Tabak ab. Aber wir nehmen uns die Freiheit, diese Leute nicht einzustellen», erklärte eine Sprecherin der Spitalkette Geisinger Health System in Danville, Pennsylvania.
Das geht allerdings nicht mehr überall: die Tabaklobby und die für Bürgerrechte eintretende American Union of Civil Liberties haben dafür gesorgt, dass in immerhin 29 der 50 US-Bundesstaaten sowie in der Hauptstadt Washington nun auch Raucher am Arbeitsplatz einen gewissen Schutz vor Diskriminierung geniessen. Die Universität Pennsylvania etwa muss bei ihrem anstehenden Raucherstopp deshalb alle Mitarbeiter in den Dépendancen von New Jersey ausnehmen.
«Paradoxes» Raucherverbot
Neben juristischen wirft die Ausgrenzung der Raucher aber auch ethische Fragen auf. In der Fachzeitschrift «New England Journal of Medicine» schreiben drei Gesundheitswissenschaftler der Universität McGill in Montreal sowie der eben raucherfrei werdenden Universität Pennsylvania, es sei gerade für Gesundheitsbetriebe «paradox», Rauchern die Anstellung zu verweigern. Schliesslich seien Spitäler dazu da, alle Kranken zu pflegen, auch jene, die ihr Leiden mit eigenem Verhalten befördert hätten. Es sei «gefühllos und widersprüchlich», Patienten mit «chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen, Herzproblemen, Diabetes oder durch ungeschützten Sex übertragenen Infektionen» zu behandeln, jedoch keine Raucher mehr zu beschäftigen.
Zudem sei es sozialpolitisch falsch, ausgerechnet Rauchern den Broterwerb zu erschweren. Denn die Bevölkerungsgruppe der Tabakkonsumenten ist in den USA – wie in den meisten westlichen Ländern – laut der Statistik sowieso bereits benachteiligt. Mehr als 36 Prozent der Amerikaner, die unterhalb der Armutsgrenze leben, sind auch Raucher. Von den Arbeitslosen rauchen sogar 48 Prozent.
4000 Dollar pro Raucher
Oberhalb der Armutsgrenze hingegen rauchen nur 22,5 Prozent. Die nikotinfreie Personalpolitik treffe deshalb, so die Wissenschaftler, in disproportionaler Weise jene, die am dringendsten einen Job benötigten. In raucherfreien Spitälern seien denn auch vor allem Reinigungspersonal und Hausdienst betroffen. Die Autoren empfehlen den US-Arbeitgebern, ihren Angestellten statt mit Sanktionen besser mit finanziellen Anreizen zu begegnen.
Ein Experiment in der Belegschaft von General Electric zeigte, dass eine Belohnung von 750 Dollar dreimal mehr Menschen zum Rauchstopp bewog als jede Informationskampagne. Doch die Sache hatte einen Haken. Als General Electric das Anreizsystem implementieren wollte, protestierten die Nichtraucher. Da sie nie geraucht hätten, sei die Prämie für sie unerreichbar. Das Unternehmen sah das ein und schwenkte zurück auf Sanktionen. Raucher müssen bei General Electric höhere Versicherungsprämien bezahlen. «Jeder rauchende Arbeitnehmer kostet den Betrieb laut US-Regierung zusätzlich 4000 Dollar pro Jahr.»

Montag, 8. April 2013

LEBEN - ONLINE-PARTNERBÖRSEN




Online-Partnerbörsen: Psychologen halten Dating-Seiten für untauglich
Von Holger Dambeck



Die Suche nach dem Traumpartner im Internet ist ein Millionengeschäft. US-Psychologen haben Dating-Seiten jetzt wissenschaftlich untersucht und kommen zu einem vernichtenden Urteil: Die Versprechen der Anbieter sind kaum haltbar.

Wenn es um Liebe geht, glauben viele Menschen an göttliche Fügung. Der Mann oder die Frau fürs Leben wird einem schon irgendwann über den Weg laufen - und wenn das passiert, dann wird man das gewiss merken. Doch nicht immer taucht der Traumpartner einfach so aus dem Nichts auf - Online-Partnerbörsen versprechen da Abhilfe. Sie betreiben die Suche nach dem Märchenprinzen ganz ähnlich wie ein Immobilienmakler die Fahndung nach der Traumwohnung. Man benötigt nur genügend Eckdaten (Interessen, Vorlieben, Wünsche an den potentiellen Partner) - und bringt die Suchenden dann per Matching-Algorithmus zusammen.
Anbieter wie Parship.de oder Match.com berufen sich dabei ausdrücklich auf wissenschaftlich fundierte Partnervorschläge. "Als Paarforscher wissen wir, wie glückliche Partnerschaften entstehen", schreibt beispielsweise Parship auf seiner Web-Seite und verspricht eine Partnerschaft, die auch längerfristig "inspirierend und lebendig bleibt".
Doch nun stellen zwei amerikanische Psychologen die Matching-Algorithmen der Dating-Seiten in Frage. Diese könnten kaum den Erfolg eine Beziehung vorhersagen, schreiben Eli Finkel von der Northwestern University und seine Kollegen in einer vorab veröffentlichten Studie im Fachblatt "Psychological Science in the Public Interest".

Es gibt Dutzende Dating-Seiten in Deutschland. Viele große Web-Seiten, auch SPIEGEL ONLINE, haben eine oder mehrere Börsen als Partner. Bei praktisch allen Anbietern müssen Singles zunächst einen umfangreichen Fragenkatalog abarbeiten. Aus den Antworten ermitteln die Betreiber dann ein Persönlichkeitsprofil, das Basis der Vermittlung ist. Der Anbieter eDarling.de nutzt dabei Big Five, ein aus fünf Komponenten bestehendes Persönlichkeitsmodell. Die meisten Dating-Seiten bringen bei vielen dieser Kriterien und Unterkriterien nur Personen zusammen, die einander ähneln. Bei einzelnen Merkmalen gilt jedoch auch "Gegensätze ziehen sich an" - hier sollen Unterschiede für eine Beziehung förderlich sein.

Durchsuchen von Profilen wenig hilfreich
Nach Meinung von Wissenschaftler Finkel kann eine mathematische Formel jedoch kaum zwei Singles zu einer langfristigen Liebesbeziehung zusammenbringen. Der Psychologe bestreitet nicht, dass es Methoden gibt, den dauerhaften Erfolg von Beziehungen vorherzusagen. Das Hauptproblem der Anbieter sei jedoch, dass sie nicht über die dafür nötigen Informationen verfügten. Beispielsweise hätten Studien gezeigt, dass in erster Linie die Art, wie zwei Menschen miteinander diskutieren und Meinungsverschiedenheiten lösen, entscheidend sei, wenn man die Zufriedenheit einer Beziehung prognostizieren will.
Die Forscher halten vor allem das Durchsuchen von Datensätzen am Computer für untauglich, um den passenden Partner zu finden. Die meisten Dating-Seiten würden Singles mit einer großen Anzahl von passenden Profilen regelrecht überschütten, schreiben sie in ihrer Arbeit. "Es ist schwer, aus den Profilen viel über die potentiellen Partner zu erfahren." Die Datensätze erlaubten kaum Rückschlüsse darauf, welche Partner tatsächlich vielversprechend seien. Beim Durchblättern der Profile würden Interessenten oft Merkmale überbewerten, die für den Erfolg einer Partnerschaft jedoch irrelevant seien.
Wenn es um Liebe geht, glauben viele Menschen an göttliche Fügung. Der Mann oder die Frau fürs Leben wird einem schon irgendwann über den Weg laufen - und wenn das passiert, dann wird man das gewiss merken. Doch nicht immer taucht der Traumpartner einfach so aus dem Nichts auf - Online-Partnerbörsen versprechen da Abhilfe. Sie betreiben die Suche nach dem Märchenprinzen ganz ähnlich wie ein Immobilienmakler die Fahndung nach der Traumwohnung. Man benötigt nur genügend Eckdaten (Interessen, Vorlieben, Wünsche an den potentiellen Partner) - und bringt die Suchenden dann per Matching-Algorithmus zusammen.
Anbieter wie Parship.de oder Match.com berufen sich dabei ausdrücklich auf wissenschaftlich fundierte Partnervorschläge. "Als Paarforscher wissen wir, wie glückliche Partnerschaften entstehen", schreibt beispielsweise Parship auf seiner Web-Seite und verspricht eine Partnerschaft, die auch längerfristig "inspirierend und lebendig bleibt".
Doch nun stellen zwei amerikanische Psychologen die Matching-Algorithmen der Dating-Seiten in Frage. Diese könnten kaum den Erfolg eine Beziehung vorhersagen, schreiben Eli Finkel von der Northwestern University und seine Kollegen in einer vorab veröffentlichten Studie im Fachblatt "Psychological Science in the Public Interest".
Es gibt Dutzende Dating-Seiten in Deutschland. Viele große Web-Seiten, auch SPIEGEL ONLINE, haben eine oder mehrere Börsen als Partner. Bei praktisch allen Anbietern müssen Singles zunächst einen umfangreichen Fragenkatalog abarbeiten. Aus den Antworten ermitteln die Betreiber dann ein Persönlichkeitsprofil, das Basis der Vermittlung ist. Der Anbieter eDarling.de nutzt dabei Big Five, ein aus fünf Komponenten bestehendes Persönlichkeitsmodell. Die meisten Dating-Seiten bringen bei vielen dieser Kriterien und Unterkriterien nur Personen zusammen, die einander ähneln. Bei einzelnen Merkmalen gilt jedoch auch "Gegensätze ziehen sich an" - hier sollen Unterschiede für eine Beziehung förderlich sein.
Durchsuchen von Profilen wenig hilfreich

Nach Meinung von Wissenschaftler Finkel kann eine mathematische Formel jedoch kaum zwei Singles zu einer langfristigen Liebesbeziehung zusammenbringen. Der Psychologe bestreitet nicht, dass es Methoden gibt, den dauerhaften Erfolg von Beziehungen vorherzusagen. Das Hauptproblem der Anbieter sei jedoch, dass sie nicht über die dafür nötigen Informationen verfügten. Beispielsweise hätten Studien gezeigt, dass in erster Linie die Art, wie zwei Menschen miteinander diskutieren und Meinungsverschiedenheiten lösen, entscheidend sei, wenn man die Zufriedenheit einer Beziehung prognostizieren will.
Die Forscher halten vor allem das Durchsuchen von Datensätzen am Computer für untauglich, um den passenden Partner zu finden. Die meisten Dating-Seiten würden Singles mit einer großen Anzahl von passenden Profilen regelrecht überschütten, schreiben sie in ihrer Arbeit. "Es ist schwer, aus den Profilen viel über die potentiellen Partner zu erfahren." Die Datensätze erlaubten kaum Rückschlüsse darauf, welche Partner tatsächlich vielversprechend seien. Beim Durchblättern der Profile würden Interessenten oft Merkmale überbewerten, die für den Erfolg einer Partnerschaft jedoch irrelevant seien.
Einer der Hauptkritikpunkte von Finkel und seinen Kollegen ist der fehlende Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Beim Ausfüllen von Fragebögen oder in E-Mails werde zu oft beschönigt oder geschummelt - beim direkten Kontakt zweier Menschen und selbst bei Telefonaten geschehe dies seltener.
Algorithmus-basierte Dating-Seiten könnten erfolgreicher sein, wenn sie sich die Erkenntnisse der Beziehungsforschung zu eigen machen", erklärte Finkel in einer E-Mail an SPIEGEL ONLINE. Der Psychologe von der Northwestern University in Evanston schlägt beispielsweise Speed-Dating via Webcam vor. Das Feedback der Teilnehmer müsste dann in die Matching-Vorschläge einfließen. "Das würde ganz sicher die Fähigkeit der Algorithmen verbessern, jene Paare zu finden, die am besten zusammenpassen."
Wenn es um Liebe geht, glauben viele Menschen an göttliche Fügung. Der Mann oder die Frau fürs Leben wird einem schon irgendwann über den Weg laufen - und wenn das passiert, dann wird man das gewiss merken. Doch nicht immer taucht der Traumpartner einfach so aus dem Nichts auf - Online-Partnerbörsen versprechen da Abhilfe. Sie betreiben die Suche nach dem Märchenprinzen ganz ähnlich wie ein Immobilienmakler die Fahndung nach der Traumwohnung. Man benötigt nur genügend Eckdaten (Interessen, Vorlieben, Wünsche an den potentiellen Partner) - und bringt die Suchenden dann per Matching-Algorithmus zusammen.

Anbieter wie Parship.de oder Match.com berufen sich dabei ausdrücklich auf wissenschaftlich fundierte Partnervorschläge. "Als Paarforscher wissen wir, wie glückliche Partnerschaften entstehen", schreibt beispielsweise Parship auf seiner Web-Seite und verspricht eine Partnerschaft, die auch längerfristig "inspirierend und lebendig bleibt".
Doch nun stellen zwei amerikanische Psychologen die Matching-Algorithmen der Dating-Seiten in Frage. Diese könnten kaum den Erfolg eine Beziehung vorhersagen, schreiben Eli Finkel von der Northwestern University und seine Kollegen in einer vorab veröffentlichten Studie im Fachblatt "Psychological Science in the Public Interest".
Es gibt Dutzende Dating-Seiten in Deutschland. Viele große Web-Seiten, auch SPIEGEL ONLINE, haben eine oder mehrere Börsen als Partner. Bei praktisch allen Anbietern müssen Singles zunächst einen umfangreichen Fragenkatalog abarbeiten. Aus den Antworten ermitteln die Betreiber dann ein Persönlichkeitsprofil, das Basis der Vermittlung ist. Der Anbieter eDarling.de nutzt dabei Big Five, ein aus fünf Komponenten bestehendes Persönlichkeitsmodell. Die meisten Dating-Seiten bringen bei vielen dieser Kriterien und Unterkriterien nur Personen zusammen, die einander ähneln. Bei einzelnen Merkmalen gilt jedoch auch "Gegensätze ziehen sich an" - hier sollen Unterschiede für eine Beziehung förderlich sein.

Durchsuchen von Profilen wenig hilfreich
Nach Meinung von Wissenschaftler Finkel kann eine mathematische Formel jedoch kaum zwei Singles zu einer langfristigen Liebesbeziehung zusammenbringen. Der Psychologe bestreitet nicht, dass es Methoden gibt, den dauerhaften Erfolg von Beziehungen vorherzusagen. Das Hauptproblem der Anbieter sei jedoch, dass sie nicht über die dafür nötigen Informationen verfügten. Beispielsweise hätten Studien gezeigt, dass in erster Linie die Art, wie zwei Menschen miteinander diskutieren und Meinungsverschiedenheiten lösen, entscheidend sei, wenn man die Zufriedenheit einer Beziehung prognostizieren will.
Die Forscher halten vor allem das Durchsuchen von Datensätzen am Computer für untauglich, um den passenden Partner zu finden. Die meisten Dating-Seiten würden Singles mit einer großen Anzahl von passenden Profilen regelrecht überschütten, schreiben sie in ihrer Arbeit. "Es ist schwer, aus den Profilen viel über die potentiellen Partner zu erfahren." Die Datensätze erlaubten kaum Rückschlüsse darauf, welche Partner tatsächlich vielversprechend seien. Beim Durchblättern der Profile würden Interessenten oft Merkmale überbewerten, die für den Erfolg einer Partnerschaft jedoch irrelevant seien.
Einer der Hauptkritikpunkte von Finkel und seinen Kollegen ist der fehlende Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Beim Ausfüllen von Fragebögen oder in E-Mails werde zu oft beschönigt oder geschummelt - beim direkten Kontakt zweier Menschen und selbst bei Telefonaten geschehe dies seltener.
"Algorithmus-basierte Dating-Seiten könnten erfolgreicher sein, wenn sie sich die Erkenntnisse der Beziehungsforschung zu eigen machen", erklärte Finkel in einer E-Mail an SPIEGEL ONLINE. Der Psychologe von der Northwestern University in Evanston schlägt beispielsweise Speed-Dating via Webcam vor. Das Feedback der Teilnehmer müsste dann in die Matching-Vorschläge einfließen. "Das würde ganz sicher die Fähigkeit der Algorithmen verbessern, jene Paare zu finden, die am besten zusammenpassen."

Erfolg des Matchings unklar
Von den verwendeten Matching-Algorithmen halten die Forscher wenig. Zum einen würden diese von den Anbietern als Geschäftsgeheimnis betrachtet und nicht publik gemacht. Die freilich trotzdem bekannten allgemeinen Prinzipien dahinter seien nicht geeignet, um die Dauerhaftigkeit einer Beziehung vorherzusagen. Die dazu publizierten Forschungsergebnisse seien widersprüchlich. "Es bleibt unklar, ob der Grad der Ähnlichkeit bei einem Paar etwas damit zu tun hat, wie erfolgreich eine Beziehung im Laufe der Zeit ist", sagt Finkel.
Der deutsche Anbieter Parship räumt ein, dass der Erfolg einer Beziehung im starken Maße auch von verschiedenen äußeren Einflüssen wie Jobverlust abhängig und damit schwer vorhersagbar ist. "Generell ist Partnerschaftserfolg schwierig zu messen", sagte Sprecherin Doreen Schlicht SPIEGEL ONLINE. "Hier besteht Forschungsbedarf."
Den Vorwurf, unwissenschaftlich zu arbeiten, weist die Parship-Sprecherin jedoch zurück: Das Unternehmen nutze verhaltenstheoretisch orientierte Ansätze, aber auch gestalttheoretische und psychoanalytische Theorien über Persönlichkeitseigenschaften. Parship habe im letzten Jahr erstmalig Paare befragt und die Ergebnisse dieser Befragung auf Tagungen vorgestellt, sagte Schlicht. "Da wir keine universitäre Einrichtung sind, sind für uns wissenschaftliche Publikationen in Fachzeitschriften nicht verpflichtend."








Donnerstag, 4. April 2013

LEBEN - BEZIEHUNGEN SIND WIE EIN HÜHNERSTALL




Interview: Jonas Schocher. Aktualisiert am 29.07.2010
Paartherapeut Klaus Heer erklärt im Interview, wie Schweizer im Zeitalter des Internets lieben, warum sie nie mit ihrer Beziehung zufrieden sind. Und ob wir tatsächlich wieder konservativer werden.

Welchen Einfluss hat das Internet auf unser Beziehungsleben?
Das Internet hat vor allem neue Methoden geschaffen, wie man sich kennen lernen kann. Dabei ist der grosse Vorteil, dass das Aussehen nicht mehr das einzige Auswahlkriterium darstellt. Das kann viel angenehmer und fruchtbarer sein, als in eine Bar zu hocken und sich anzustarren. Wer sich gut ausdrücken kann und offen ist – auch in Herzensdingen – hat viel mehr Chancen. Das ist spielerisch und kreativ.

Wo liegen die Gefahren?
Richtig gefährlich wirds eigentlich erst, wenn man ein Paar ist. Die neuen Medien, vor allem die sozialen Netzwerke und die gigantische Flut von Internet-Pornografie, setzen uns einer Unzahl von Versuchungen aus. Neue Kontakte aller Art locken allenthalben. In den Chatrooms sind die Übergänge zwischen banalem Gespräch und heissem Flirt fliessend. Fast unbemerkt kann sich ein Austausch erotisch und sexuell färben, und es wird schnell unklar, ob das jetzt nicht bereits Fremdgehen ist.

Sind heutige Paare eher aufgeschlossen oder konservativ?
In den heutigen Beziehungsmodellen sind Treue und Ehrlichkeit nach wie vor erstrangige Bestandteile. Man möchte sich in der Beziehung daheim und geborgen fühlen wie in einem Kokon. Doch sobald man länger in dem Kokon drin ist, ist man bald einmal überfordert und hat Sehnsucht nach etwas anderem. Beziehungen sind wie ein Hühnerstall. Wer draussen ist, will rein, und wer drin ist, will raus. Der Mensch ist eben ein Sehnsuchtswesen.

Wie geht das denn, sich in den eigenen Partner neu verlieben?
Kein Mensch kann Gefühle, die weg sind, erfolgreich zurückwünschen. Es macht ja auch wenig Sinn, im Hochsommer dem zurückliegenden wunderbaren Frühling nachzutrauern. Weil man nämlich damit die pralle Fülle des Sommers verpasst. Wenn nun die intensive Zeit des Liebesfestes zu Ende geht, entsteht eine ganz neue Intensität: der Kater, die Ausnüchterung. Die Enttäuschung über den anderen, über die Beziehung, über sich selbst. Diese Enttäuschung unerschrocken anzuschauen, kann ein aufregendes Erlebnis sein: Sie macht deutlich, wo meine Täuschung war. Und das kann ein neues, fruchtbares und schmerzliches Thema zwischen den beiden Liebenden werden.

Was ist denn die Standardlösung?
Die einfachere Methode ist die Personalrotation. Man kann sich sagen, alle zwei Jahre lege ich mir eine neue Beziehung zu. Doch das geht nicht endlos. Jeder merkt mit der Zeit, dass sich das Ganze ständig wiederholt. Es kann sich hohl und traurig anfühlen. Es ist ja auch kein besonders erhebender Anblick, wenn man eine Spur von Verflossenen hinter sich herzieht. Mit der Zeit beginnt man an sich selber zu zweifeln, nicht nur am anderen Geschlecht. Man fängt an, sich die richtigen Fragen zu stellen: Bin ich der richtige Partner für jemanden? Anstatt: Wer ist der richtige Partner für mich?
Sie haben geschrieben, dass die Rolle der Frau in der Partnerschaft eine neue ist. Inwiefern?
Die Frau lässt heute nicht mehr alles mit sich machen, was sie während Tausenden von Jahren mit sich machen liess. Die Männer können nicht einfach daran vorbeischauen. In der Enge des eigenen Heims werden sie unausweichlich damit konfrontiert. Viele von ihnen sind ratlos. Wie lebt man mit einer Frau, die man liebt, auf gleicher Augenhöhe? Das ist in allen Bereichen schwer. Am anspruchsvollsten ist es wohl in der Sexualität. Dort sind die Differenzen zwischen zwei Menschen viel grösser, als wir es in unseren Sehnsüchten wahrhaben wollen. Wir sind uns viel fremder, als uns lieb ist.
Manche Stimmen fordern darum eine Rückkehr zu konservativen Rollenmustern. Gibt es diesen Backlash in der Realität?
Ich bekomme das nicht wirklich mit. Ich habe es zum Beispiel mit vielen Patchwork-Familien zu tun. Das ist doch nicht konservativ. Das sind neue Wege und neue Ideen, mit denen ich konfrontiert werde: Leute, die etwas ausprobieren und merken: Es ist anspruchsvoll! Gerade wenn Kinder beteiligt sind. Kinder, die mit den neuen Partnern nicht auskommen, neue Partner, die mit den Kindern Mühe haben. Das sind grosse Herausforderungen.
Ist das Paar- und Familienleben allgemein anspruchsvoller geworden?
Ja, auch das berufliche Leben meiner Klienten. Das ist enorm. Die Leute haben einfach keine Zeit füreinander